Farmsen-Berne vor fünfzig Jahren.
+++ Dr. Ilse Elsner kandidiert erneut für den Deutschen Bundestag +++ Schulraumsorgen auch in der Lienaustraße – Antwort auf einen Artikel im Berner Boten aus dem Mai 1969 +++
Zitate aus dem Berner Boten vom Juni 1969
Liebe Leser, (Seiten 1 und 2)
die Hamburger SPD hat ihre Kandidaten für den nächsten Bundestag gewählt. Wie in den zwei Legislaturperioden vorher, wurde ich für den Wahlkreis Wandsbek-Walddörfer nominiert. Seit langem schon, und entgegen einer oft gehörten Meinung, wächst der Kontakt zwischen Wählern und Gewählten. Ich würde ihn gern für die kommenden Jahre noch intensiver gestalten.
Dazu hier einige Betrachtungen:
Das Gerede vom Establishment verdeckt die Tatsache, dass Politik nötiger ist denn je, auch die andere Tatsache, dass man, um Politik zu machen, gut informiert sein muss. Das geht nicht mit der linken Hand. Die Probleme der ersten Nachkriegszeit, die die Politik bewältigen musste, waren gravierend, dennoch scheinen sie uns heute verhältnismäßig einfach, weil sie so unmißverständlich waren: Wohnungsnot, Flüchtlingselend, zerstörte Fabriken, nicht genug Arbeitsplätze, zerstörte Schulen, ein ungenügendes Steueraufkommen, Renten für alte Menschen und Invaliden, von denen sie nicht leben konnten.
Mit all dem sind wir fertig geworden. Damit wurde das für die Jungen, die nicht mit uns durch das Tal dieses Elends gegangen waren, Geschichte – so fern und so unsentimental, wie Geschichte immer ist. Zugleich aber öffneten sich unendliche neue Perspektiven. Eine Zeit, in der alles möglich schien, brach an: Automation und elektronische Datenverarbeitung, Flug mit Überschallgeschwindigkeit, Flug nach dem Mond, Erzeugung von Atomenergie und damit Unabhängigkeit von alten Kraftstoffen, Verpflanzung menschlicher Organe, zu allem eine wirtschaftliche Expansion wie nie zuvor. Dazu das Fernsehen als Medium, das uns alles frei Haus liefert – im Klubsessel zu genießen. Wer weiß schon noch, dass die erste Maschine mit Passagieren erst 1938 über den Atlantik flog, die erste Passagier-Düsenmaschine sogar erst 1958?
In dieser Zeit überstürzter technischer Entwicklung steht die Politik vor vielen neuen Problemen. Sie sind viel weniger eindeutig, als es Hunger und Wohnungsnot nach dem Kriege waren. Sie erfordern einen schwierigen Balanceakt zwischen dem, was technisch und dem, was finanziell und sozial möglich ist. Wenn alles geht, so doch nicht alles auf einmal! Sobald man aber Prioritäten setzen muss, gerät man in den Kampf der Gruppen. Oft taucht dann sofort auch die Frage nach der Gerechtigkeit auf und legt die Basis für das Unbehagen in unserer Zeit.
Ich möchte mein Urteil in der Politik so unbeeinflusst wie möglich von der Lautstärke der Interessengruppen halten, deshalb suche ich diesen Kontakt zum Bürger, und deshalb bitte ich Sie, mir zu schreiben, wenn diese oder jene politische Entwicklung Sie beunruhigt, wenn Ihnen durch dieses oder jenes Gesetz Unbill widerfuhr, wenn wir Lücken übersehen haben, die zu füllen sind. Sie werden einen aufmerksamen Empfänger Ihrer Nachricht in mir finden.
Ihre Ilse Elsner, MdB,
2 Hamburg 73, Ringstraße 241
Anmerkung der Redaktion:
Ilse Elsner wurde bei der Bundestagswahl am 28. September 1969 erneut als Direktkandidatin der SPD im Wahlkreis Hamburg-Wandsbek in den 6. Deutschen Bundestag gewählt.
Nach dieser Wahl konstituierte sich erstmals in der damals 20-jährigen Geschichte der Bundesrepublik eine sozialliberale Koalition auf Bundesebene aus SPD und FDP.
Willy Brandt (SPD) wurde Bundeskanzler und Walter Scheel (FDP) Außenminister und Vizekanzler.
Ilse Elsner (1910-1996)
Journalistin (Hamburger Echo, Die Welt). Sie war von 1961-1970 Mitglied des Deutschen Bundestages und gleichzeitig Mitglied des Europäischen Parlaments.Sie war als Senatorin von 1970-1972 Bevollmächtigte Hamburgs beim Bund und von 1973-1974 Gesundheitssenatorin.
Offener Brief – Schulraumsorgen auch in der Lienaustraße (Auszug Seiten 16 und 17)
Sehr geehrter Herr Krug!
Bei vielen Eltern in Berne könnte durch Ihren Bericht „Aus der Bezirksversammlung“ vom Mai 1969 der Eindruck entstehen, dass die Schule Lienaustraße keine Raumsorgen hat.
Der Elternrat möchte deshalb hiermit den Sachverhalt klarstellen.
Trotz der zwei Räume, die der Schule im Jugendheim seit dem Kriege bis jetzt zur Verfügung standen, musste auch im vergangenen Jahr mit den drei ersten und einer zweiten Klasse Schachtelunterricht durchgeführt werden. (Das heißt vier Unterklassen wurden in zwei Räumen nacheinander unterrichtet.) Aus diesem Grunde wurde schon derzeit die Aufstellung eines Pavillons mit zwei Räumen gefordert und befürwortet.
Nach der kurzfristigen Kündigung der Jugendheimräume konnten auf Drängen der Schulleitung und des Elternrates jetzt zwei Schulpavillons zugesagt werden, die bis zum 15. August (?) zwischen Lienaustraße und Jugendheim fertig aufgestellt sein sollen. Da die Schule noch keine sichere Zusage für den Fertigstellungstermin der Pavillons hat, möchten wir bei den Eltern keine falschen Hoffnungen wecken.
Die alte Berner Schule (jetzt Lienaustraße), die 1930 für acht bis zehn Klassen gebaut worden ist und vor zwei Jahren einen Erweiterungsbau mit vier Klassenräumen bekommen hat, muss ab Herbst 1969 24 Klassen aufnehmen.
Selbst wenn bis dahin die vier Räume in den neuen Pavillons fertig sind, werden immer noch acht Klassen in Räumen unterrichtet, die ursprünglich als Fach- und Sonderräume vorgesehen waren.
Wir möchten Sie darum bitten, sich als unser Bezirksabgeordneter für die termingerechte Fertigstellung der uns zugesagten Bauten einzusetzen.
Hochachtungsvoll
Bernd Riemann
Elternratsvorsitzender
2 HH 72, Moschlauer Kamp 23
Unser Bezirksabgeordneter Walter Krug bemerkt zu dem oben stehenden Brief folgendes:
„In der Schulbehörde sieht man sich außerstande, einen verbindlichen Fertigstellungstermin zu nennen. In der Baubehörde, die zusammen mit einem Privatarchitekten das Projekt Berne betreut, hofft man, unserer Schule die vier Klassenräume bis Ende Oktober zur Verfügung stellen zu können.
Hoffen wir mit, dass der Termin eingehalten werden kann, damit nach dieser kurzen Zeitspanne der Engpass in der Schulraumfrage überwunden ist.“
Anmerkung der Redaktion:
Die Schulraumnot ist heute nicht anders. Die Schließung der Berner Schule in der Lienaustraße ist daher nicht nachvollziehbar, denn nach dem Referentenentwurf des neuen Schulentwicklungsplans von Anfang Mai 2019 braucht Hamburg 39 neue Schulen und die Erweiterung von rund einem Drittel der bestehenden Schulen bis 2030 wegen der steigenden Schülerzahlen. Die hierfür erforderlichen Inves-titionsmittel belaufen sich auf über 4 Mrd. €. Der zitierte Abgeordnete der Bezirksversammlung Wandsbek Walter Krug (SPD) war der Mitbegründer des Berner Boten im Jahre 1951, und wurde erstmals 1966 in die Bezirksversammlung Wandsbek gewählt. Beruflich war er Redakteur bei der Hamburger Morgenpost.
Ende der Zitate aus dem Berner Boten vom Juni 1969
Heiner Widderich