Der sogenannten „Zukunftsentscheid“ wurde in Wandsbek mit fast 58% der abgegebenen Stimmen abgelehnt, bezogen auf die ganze Stadt konnte die Initiative jedoch einen Erfolg verbuchen, mit 303.936 Stimmen (gut 53%) war der Volksentscheid erfolgreich.
In einer Stellungnahme bedankt sich die Initiative bei allen, die den Hamburger Zukunftsentscheid in den letzten Jahren mit ihrer Zeit, ihrer Kreativität, ihrer Leidenschaft, ihrer Unterschrift oder ihrer Stimme unterstützt haben. Hamburg sei ab jetzt das einzige Bundesland, dessen Menschen sich ihr Klimaschutzgesetz selbst gegeben haben. „Weil sie sich entschieden haben, nicht länger untätig zusehen zu wollen, sondern die notwendigen Maßnahmen anzugehen – mutig und gemeinsam.“
Bürgerschaft und Senat werden den Volksentscheid nun umsetzen, vielleicht ja tatsächlich unterstützt durch Bürgerräte, sie wären jedenfalls ein gutes Instrument, um die Stadtbevölkerung in nun notwendige Entscheidungen einzubinden. Bemerkenswert und vielleicht auch ein Teil der Erfolgsgeschichte ist, dass der Entwurf der Initiative keine konkreten Vorschläge enthält, welche Maßnahmen nunmehr umzusetzen sind, so konnte sich jede und jeder Unterstützer seine eigenen Vorstellungen machen, etwas „Gutes“ zu tun, umsetzen müssen konkrete Maßnahmen durch den Senat, der dann auch dafür kritisiert werden wird.
Deutschland hat seine Treibhausgas-Emissionen bis 2024 um 48 % im Vergleich zu 1990 reduziert, wobei die Emissionen im Jahr 2024 um 3,4 % gegenüber 2023 gesunken sind. Das entspricht einer Einsparung von rund 48 % der klimaschädlichen Gase. Diese Zahlen beziehen sich auf die gesamten Treibhausgase; der Großteil davon ist Kohlendioxid.
In einigen Bereichen waren wir dabei weniger erfolgreich und zwar insbesondere im Bereich Verkehr und Wohnen, wo nun nicht wenige drastische Einschnitte für möglich halten, von der Initiative in der Debatte höflich ausgespart und von der Politik vielleicht zu spät diskutiert. Enthält die Gesetzesbegründung der Initiative präzise Berechnungen, welche Stellen in der Umweltbehörde anzusiedeln sind, um einen „Klimarat“ zu betreuen, so fehlen jegliche Hinweise dazu, wieviele Milliarden erforderlich sein werden, um z.B. für die Energieversorgung des Hamburger Wohnungsbestandes fünf Jahre früher Emissionsfreiheit zu erreichen, geschweige denn, wo eigentlich die Fachkräfte herkommen sollen, die die Wärmepumpen installieren. Schon die früheren Pläne der rot-grünen Regierung waren in Teilen op- timistisch. Bemerkenswert der Mieterverein zu Hamburg in diesem Zusammenhang, der – juristisch formal durchaus korrekt – immer wieder drauf hinwies, dass nicht alle Kosten im Zusammenhang mit Modernisierungen und Klimaschutz auf die Mieter umzulegen seien und dabei versuchte, den irrigen Eindruck zu erwecken, die Vermieter oder der Staat würden Mieter von den Kostensteigerungen freihalten (können) – das Gegenteil wird der Fall sein.
Vor dem Hintergrund, dass Hamburg in vielen Bereichen gar nicht eigenständig handeln kann, sondern auf den Bund oder Europa angewiesen ist, steht zudem zu befürchten, dass positive Effekte, also die Reduzierung von Emissionen in Hamburg durch andere Bundesländer kompensiert werden, am Ende durch den Alleingang der Stadt bundesweit tatsächlich keine Tonne Treibhausgas eingespart wird. Grund ist der Zertifikatehandel für CO2, ein System, bei dem Unternehmen Zertifikate kaufen müssen, um die von ihnen ausgestoßenen Treibhausgase zu emittieren.
Der Staat legt eine Gesamtobergrenze für Emissionen fest. Die Menge der Zertifikate entspricht dieser Obergrenze und wird entweder versteigert oder den Unternehmen zugeteilt. Unternehmen müssen am Ende des Jahres Zertifikate im Wert ihrer Emissionen abgeben. Wer mehr emittiert als erlaubt, muss zusätzliche Zertifikate kaufen. Wer weniger emittiert, kann seine überschüssigen Zertifikate verkaufen (Cap-and-Trade).
Besorgniserregend ist jedoch die Spaltung der Stadt. Hat das urbane Zentrum der Stadt mit überwiegender Mehrheit für den Klimaentscheid gestimmt, im Wahllokal Ganztagsgrundschule Sternschanze z.B. bei einer Abstimmungsbeteiligung von 54,7% (davon per Brief 73,4%) zu 85,5%, lehnte die äußere Stadt, die z.B. von Maßnahmen wie Fahrverboten in besonderer Weise betroffen sein wird und sich nicht auf ein dichtes Netz von ÖPNV-Verbindungen stützen kann, den Klima-entscheid überwiegend ab.
Umsetzen lassen werden sich die erforderlichen Maßnahmen aber nur gemeinsam. Dies wird auch parteipolitisch nicht einfach, wie man exemplarisch am Verhalten der Grünen beschreiben kann. Während die grüne Umweltsenatorin im Vorfeld der Abstimmung die Ergebnisse eines Gutachtens vorstellte, welches bereits ihr Amtsvorgänger Jens Kerstan auf den Weg gebracht hatte, nicht gerade als Klimaskeptiker bekannt, in dem vor allem die erheblichen Kosten und Risiken betont werden, lässt der Co-Vorsitzende des Landesverbandes derweil nur die Teile verkünden, die ihm genehm sind: Das „Gutachten zeige: „Hamburg kann bis 2040 klimaneutral sein. Die Studie zeigt zudem mögliche Maßnahmen auf, um eine Klimaneutralität 2040 zu erreichen.“ Ja, die Möglichkeiten gibt es, Kosten und Risiken sind aber nicht ausreichend diskutiert worden, was nun schnellstmöglich nachgeholt werden muss. Wie eine Kernforderung der Initiative, nämlich eine sozial gerechte Umsetzung, dabei erfüllt werden soll, steht derweil in den Sternen.
Mehr Transparenz und ein früherer Ausstieg aus den Treibhausgasemissionen bietet aber auch Chancen für die Stadt und das Klima, die man nun nutzen muss.
Marc Buttler

