Farmsen-Berne vor fünfzig Jahren.
Der Berner Bote setzt sich in seiner Ausgabe vom Oktober 1975 u.a. kritisch mit der Springer-Presse auseinander. Ein neuer Turnhallentyp bringt auch in Farmsen große Verbesserungen, Ursel Rudolph berichtet über das Zeltlager der „jungen gemeinschaft“ und die SPD-Bezirksfraktion wählt einen neuen Vorsitzenden.
Beginn der Zitate aus dem Berner Boten aus dem Oktober 1975
Es wird weiter gelogen (S. 4f.)
„Lügen wie gedruckt“ – unter diesem Titel berichtete im Mai das sozialdemokratische Magazin über Verfälschungen der Springer-Presse selbst in Interviews. Im Juni wurde anhand einer wissenschaftlichen Untersuchung nachgewiesen, daß die Springer-Presse ihren grundgesetzlichen Auftrag zur sachgemäßen und umfassenden Information nicht erfüllt. Jetzt liegt eine neue Untersuchung vor, die diesen Vorwurf stützt, ihn sogar erweitert.
„Professionelle Fälscher“ nannte „Stern“-Chefredakteur Henri Nannen Springers-Redakteure nach dem Bundestagswahlkampf 1972 öffentlich und ungerügt. Nannen hatte Munition in der Schublade, mit der er diese Behauptung wahrscheinlich auch vor Gericht hätte aufrechterhalten können: Der „Stern“ hatte die „Arbeitsge-meinschaft für Kommunikationsforschung“ in München beauftragt, „Welt“ und „Bild“ acht Wochen lang zu analysieren und dem Umgang der Springer-Redakteure mit der Wahrheit und der journalistischen Sorgfaltspflicht nachzuspüren.
Im „Stern“ veröffentlichter Auszug aus der Analyse: „Mittels der vergleichenden Inhaltsanalyse konnten zahlreiche Unkorrektheiten, Fehlleistungen und Falschmeldungen in „Welt“ und „Bild“- München nachgewiesen werden. Dabei handelte es sich einerseits um ständig wiederkehrende Auffälligkeiten gleicher Tendenz, andererseits aber auch um falsche Behauptungen und undementierte Falschmeldungen. In den zwei jeweils vier Wochen umfassenden Untersuchungzeiträumen konnte festgestellt werden, daß die „Welt“ und „Bild“-München Nachrichten in einseitig tendenzieller Weise verkürzten, ganz verschwiegen, den Sinn von Nachrichten verzerrten oder in sein Gegenteil verkehrten, Fakten vermittelten, die nachweislich falsch waren.“
Die Arbeitsgemeinschaft hatte sich ihre Aufgabe nicht leicht gemacht.
Sie hatte täglich „Welt“ und „Bild“ ausgewertet, sie mit der Frankfurter Allgemeinen, der Süddeutschen Zeitung, dem Münchner Boulevardblatt „ntz“ und dem täglichen Nachrichtendienst der Deutschen Presse-Agentur verglichen. Heraus kam das vernichtende Urteil, daß Springer fälscht. Die Springer-Zeitungen haben sich seit 1972 nicht geändert. Neueste Beispiele für Fälschungen à la Springer: „Welt“, 9.5.1975: Die Zeitung veröffentlicht ein Foto der Nachrichtenagentur AP, das einen Offizier der Roten Khmer in Pnom Penh zeigt. „Welt“-Unterschrift: Ein Soldat der Roten Khmer kaufe mit der Waffe ein. AP hatte das Foto mit der Unterschrift verbreitet, ein Offizier der Roten Khmer vertreibe Plünderer.
„Bild“, 13. Juni 75: Die Zeitung bringt ein Interview mit dem parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Hermann Schmidt. Schmidt in einem Schreiben an den stellvertretenden „Bild“-Chefredakteur, Klaus Blume: „Leider stellte ich heute morgen bei der Lektüre der „Bild“-Zeitung fest, daß durch sinnentstellende Streichungen meine Stellungnahme eine Tendenz bekommt, die dem Gegenteil von dem entpricht, was ich eigentlich sagen wollte.“ Konsequenz für Schmidt: „Ich …werde mich künftig nicht mehr bereitfinden, Ihrer Bild-Zeitung ein Interview zu geben, wenn ich vor derartigen Praktiken nicht geschützt bin.
Zwei eindeutige Fälle von Fälschungen. Wie schwer es ist, gegen diese Praktiken
anzukommen, zeigt eine Auseinandersetzung, die Bundesjustizminister Hans Jochen Vogel mit „Bild am Sonntag“ hatte.
Am 15. September 1974 brachte das Blatt in Riesenaufmachung die Schlagzeile: „Minister Vogel in Millionenskandal verwickelt.“ 14 Tage später brachte die Sonntagszeitung auf Betreiben Vogels eine Gegendarstellung, die klein auf der Titelseite mit der Zeile angekündigt wurde: „Gegendarstellung Minister Vogel: ,Nicht persönlich in Millionenskandal verwickelt‘.“ Aber die Auseinandersetzung ging weiter. Am 15. Mai entschied das Hanseatische Oberlandesgericht in einem Beschluß – also nicht in einem rechtskräftigen Urteil grundsätzlich: „Der Betroffene soll in gleicher Weise die Aufmerksamkeit der Leser wecken können, wie es die Zeitung selbst getan hat.“ Das kann aber im allgemeinen nur in langwierigen Prozessen erreicht und durchgesetzt werden. Wer aber hat dazu Nerven, Geld und Zeit? Gegen „professionelle Fälscher“ – wie Henri Nannen die Springer-Redakteure genannt hat -– ist der Normalmensch machtlos. K.-L. Günsche
Neuer Turnhallentyp bringt große Verbesserungen (Seite 10)
Aufgrund eines Vorschlages des Vorsitzenden des Sport-Arbeitskreises der SPD-Bürgerschaftsfraktion, des Abgeordneten Hubert Jungesblut, haben die Fachbehörden einen das bisherige Turnhallenprogramm ergänzenden neuen Spielhallentyp entwickelt. In kostensparender Bauweise wird bei dieser 45 x 27-m-Halle (dreimal so groß wie eine Normalturnhalle) auf alle Extras verzichtet, so daß die Baukosten nur bei 1,5 Mio. DM liegen. Das ist im Verhältnis zur Normalturnhalle von 15 x 27 m (Kosten 1,1 Mio. DM) eine erhebliche Ersparnis. Die neue Spielhalle mit den Feldabmessungen einer Regionalhalle soll künftig dort gebaut werden, wo bereits eine erste Normalturnhalle vorhanden ist und noch weitere Turnhallen geplant sind. Mit diesem Turnhallentyp wird auch dem Wunsch des Vereinssports Rechnung getragen, für Trainings- und Spielbetrieb größere Hallen zu erhalten. Die Maße 45 x 27 m sind z. B. auch für Hallenhandball ausreichend. Bereits 1976 sollen die drei ersten dieser Spielhallen – anstelle von drei Normalturnhallen – an der Schule Alter Teich- weg, Julius-Leber-Schule, Eimsbüttel und Gewerbeschule Farmsen errichtet werden.
Mit der „jungen gemeinschaft” ins Zeltlager (Seite 12 f.)
Kommt doch mit uns nach Stadtoldendorf, in das Hügelland, in den Sonnenschein, kommt doch mit uns nach Stadtoldendorf, denn dort wollen wir zwei Wochen fröhlich sein!
Voller Begeisterung sangen wir dieses Lied immer wieder und konnten die Zeit kaum erwarten, bis endlich – am 19. Juli — unsere Eltern ihre Pkw starteten und uns ins Zeltlager nach Stadtoldendorf brachten.
Hier, am nördlichen Rand des Solling, wollten wir zusammen mit ca. 100 Kindern und 30 Helfern viele gemeinsame frohe Tage verbringen. Alle anderen Gruppen der — jungen gemeinschaft — waren bereits am 12. 7. gefahren. Wir waren also die Nachzügler und fanden das Lager bei unserer Ankunft fast ausgestorben. Stille rundherum, die Zelte standen leer. Nanu? – Bis uns dann das Küchenpersonal aufklärte: „Ja, wißt Ihr, heute ist Wandertag, da sind alle Gruppen unterwegs, der Lagerrat hat es so beschlossen, da gibt’s erst abends warmes Essen. Nachher ist dann noch Disco oder Film und Vorbereitung der Hobbygruppenausstellung am Sonntag …“
Wandertag – Lagerrat – Hobbygruppen – na, da stürmte ja allerhand auf uns ein. Wer und wozu war denn der Lagerrat? Die Lagerleitung hatten wir schon in Hamburg gewählt: Dieter Otte, Reinhard Kowalski und Rolf Jertschat. Aber der Lagerrat? Schnell wurden wir informiert: jede Gruppe ist entsprechend ihrer Stärke mit 1, 2 oder 3 Mitgliedern vertreten. Der Lagerrat befaßt sich zur Hauptsache mit der Programmgestaltung und mit allen sonstigen Angelegenheiten, die das Lager betreffen. So sollen die Kinder in ihrem Zeltlager nicht nur mitbestimmen; sie sollen auch Mitverantwortung lernen.
Im Laufe des Nachmittags inspizierten wir die nähere Umgebung des Zeltplatzes und schätzten uns glücklich, daß unser größter Wunsch — im „Strohzelt“ zu schlafen – in Erfüllung gegangen war. Wir richteten uns häuslich ein, machten abends „Probeliegen“ und da uns der Sinn nach „Disco“ sowieso noch nicht steht, ließen wir uns vor dem Einschlafen lieber etwas vorlesen.
Am nächsten Morgen waren wir natürlich viel zu früh wach (und laut!). Wie konnten wir Neulinge auch ahnen, daß der Lagerrat beschlossen hatte, am Sonntag eine Stunde später zu frühstücken. Aber nach einigen Tagen gewöhnten wir uns an den Rhythmus; im Gegenteil, die Zeit zwischen Aufstehen und Frühstück wurde oft so knapp, daß das Waschen ausfallen mußte. Denn auf keinen Fall durften wir die Öffnungszeit des Lagerkonsums verpassen. Da gab’s (außer einer langen Schlange davor) Lakritzen, Postkarten, Gummiteddis, Cola und ähnliches. Wer von den Kindern meiner Gruppe diesemreichhaltigen Angebot widerstehen konnte, bekam zum Schluß der Reise sein Taschengeld mit Zinsen zurück.
Je nach Tagesplan konnten die Gruppen nun ihren eigenen Interessen nachgehen: z. B. wandern, schwimmen, spielen oder zeltaufräumen. Das Hobbygruppenangebot war ganz besonders reichhaltig. Unter Sport, Tanzen, Lederarbeiten, Malen, Technik, Emaille, Tonarbeiten, Laienspiel, Lagerzeitung und Naturbasteln konnte jedes Kind seinen Neigungen entsprechend etwas finden — dachte ich. Als ich zurückkam in unser Zelt und all meine Schützlinge gut untergebracht glaubte, sind da doch noch einige, die lieber lesen oder vor-sich-hin-träumen wollten, und ich sehe: ganz ins Spiel versunken schieben mehrere meiner Kinder ihre Autos über den „Dorfplatz“. Das sind Hobbygruppen, die in keinem Programm stehen, aber die die Kinder auch brauchen, um zu sich selbst zu finden.
Die Tage verliefen viel zu schnell. Einige Höhepunkte werden uns allen wohl unvergessen bleiben. So die Wanderung mit Quizfragen beim Bergfest und anschließender Zeckenjagd. Oder das Fußballspiel Kinder gegen Helfer, wo die Helfer haushoch verloren (6:2), und die Kinder uns ermahnen mußten, doch ernsthafter zu spielen. Aber was so’n richtiger Helfer ist — aus dem wird nie ein guter Fußballer! Und dann war da das Stützpunktlager; ein wunderschön gelegener Platz, vom Förster mit viel Liebe für uns ausgesucht, gerade passend für zwei Gruppenzelte und ein kleines Hauszelt (für den Betreuer). Zusammen mit einer Partnergruppe wanderten wir für 2 Tage dorthin. Hier war es so richtig urig. Wasser gab’s an der nahen Quelle und gekocht wurde auf offenem Feuer, Getränk und Essen schmeckten nach Rauch aber was machte das schon, wo wir doch alles selbst zusammengebraut hatten.
Wir spielten hier „Wirtshaus im wilden Westen“ , futterten sämtliche Himbeersträucher leer, ließen uns von Hans-Ulrich die Pflanzenwelt erklären und erklommen mit seiner Hilfe eine steile Felswand. Wir trimmten uns auf einem Trimmpfad und stellten fest, daß man in einer Kneippanlage nicht nur mit den Füßen baden kann. Kurz und gut:
Des Lagers größter Knöller
war das Camp beim alten Höller…
Dieser Vers gehörte zu unserem Abschiedssong, den wir bei Lagerfeuer und Grill-Würstchen zum Besten gaben.
Jetzt bin ich so richtig ins Erzählen gekommen; ach, es gäbe noch vieles zu berichten über unsere gemeinsamen Ferienwochen. Auf jeden Fall war für alle Kinder das Lager eine großartig gelungene Sache und für uns Helfer steht fest, daß Gemeinschaftserlebnisse dieser Art immer wieder wichtig und wertvoll sind für die Entwicklung und Entfaltung unserer Kinder.
Ursel Rudolph
Gruppe „Berner Halunken“
Neuer Fraktionsvorsitzender (Seite 18)
Die SPD-Fraktion der Bezirksversammlung Wandsbek hat am 19. 8. 1975 den bisherigen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Harro Matthiesen aus Farm- sen zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Er löst damit Günther Meier ab, der sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hat.
Harro Matthiesen ist seit 1966 Bezirksabgeordneter. Von 1970- 1974 war er Vorsitzender der Bezirksversammlung und seit der Wahl vom März 1974 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion. Stellvertretender Fraktionsvorsitzender ist wie bisher Rolf Lange.
Ende der Zitate aus dem Berner Boten aus dem Oktober 1975
Marc Buttler

