Der Kurs von Friedrich Merz, sich gegen seine eigenen Versprechen und unter Beschädigung seiner Glaubwürdigkeit eine Machtoption mit der AfD im Deutschen Bundestag zu verschaffen, stiftet auch in der Wandsbeker CDU Verwirrung und löst darüber hinaus Irritationen aus. Die CDU-Bezirksfraktion hatte sich z.B. im Januar gemeinsam mit den Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Linken – und nur gegen die AfD – der Resolution „Chanelia bleibt bei uns – Stoppt die Abschiebung eines Kindes!“ angeschlossen (BV-Drs. 22-0900), mit der die Abschiebung einer hier integrierten, aber vollziehbar ausreisepflichtigen („Duldung“) 11-jährigen Schülerin der Stadtteilschule Walddörfer abgewendet werden soll.
Die CDU/CSU unter Merz und mit ihr die Wandsbeker Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann, die bisher dem liberalen, christlichen Flügel der CDU zugerechnet wurde, stimmte dagegen mit AfD und FDP einem Entschliessungsantrag des Bundestags zu, in dessen Konsequenz eben dieses Mädchen in Haft genommen und unverzüglich abgeschoben werden soll. Da selbst CDU-Mitglieder wider besseren Wissens behaupten, man wolle eigentlich nur Straftäter in Haft nehmen, hier auszugsweise der Wortlaut des Entschließungsantrags (BT-Drs. 20/14698, PDF):
„3. Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freiem Fuß sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden. Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss dafür signifikant erhöht werden. (…). Die Zahl der Abschiebungen muss deutlich erhöht werden. Abschiebungen müssen täglich stattfinden. (…)“
Nun haben Entschließungsanträge des Bundestags keine juristische und praktische Wirksamkeit, zudem könnte der Antrag aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen gar nicht umgesetzt werden, doch Merz wollte wohl bei den Anhängern der AfD und den Wählerinnen und Wählern, den Eindruck erwecken, er würde konkret und kraftvoll gegen die „illegale Migration“ vorgehen. Die politischen Folgen scheinen auch innerhalb der CDU nicht durchdacht worden sein. Kevin Kühnert beschrieb eine solche Vorgehensweise in seiner Bundestagsabschiedsrede am 12.2.2025 treffend mit den Worten: „Opportunität sticht Integrität“. Es bleibt zu befürchten, dass Merz, der zu glauben scheint, die rechtsextreme AfD kontrollieren zu können, sich irrt, wie andere konservative Parteivorsitzende in Europa vor ihm.
MB
Anm. der Reaktion: Merz wandte sich noch vor der Bundestagswahl wieder deutlich von der AfD ab und wies darauf hin, dass der Entschließungsantrag gar nicht umgesetzt werden solle, es ginge ihm eigentlich um die Abschiebung von Straftätern. Von Hoppermann blieb eine solche Klarstellung bisher aus.
In zeitlicher Nähe zum Entschließungsantrag kam es zu weiteren Beschädigungen von CDU-Wahlplakaten (wie hier am Bf. Berne, Beitragsbild vom 31.01.2025), die offenkundig in einem Zusammenhang mit dem Agieren der CDU/CSU im Bundestag zu sehen sind. Über Beschädigungen und Verluste von Plakaten berichteten auch die anderen Parteien in diesem Wahlkampf verstärkt.