Bei den letzten Wahlen zur Bezirksversammlung konnten die Grünen mit 15 Sitzen nach der SPD die zweitstärkste Fraktion in der Bezirksversammlung stellen. Im August 2020 erklärte Frauke Häger ihren Austritt aus der Fraktion (Der BB berichtete).
Häger hatte kurz zuvor die Wahl als stellvertretende Vorsitzende gegen Julia Brinkmann verloren und trat auch aus der Partei aus. Ihr Mandat behielt sie, dies sei sie, so erklärte sie mehrfach, ihren Wählerinnen und Wählern im Alstertal schuldig.
Der Erosionsprozess der Fraktion begann schon früher, den ersten Austritt mit Nachrücker hatten die Grünen bereits im Januar 2020 zu verzeichnen, knapp ein Jahr nach der Wahl zur Bezirksversammlung im Mai 2019. Dr. Eva Kuczewski-Anderson rückte nach. Bereits einen Monat nach Frauke Häger, im September 2020 schied das nächste Mitglied aus. Für den erst einige Monaten zuvor nachgerückten Christof Hertel folgte Sami Khokhar in die grüne Fraktion nach.
Ende September diesen Jahres erklärte Oliver Schweim den Austritt aus der grünen Fraktion, sein Mandat behielt er. Schweim war in der vergangenen Legislaturperiode einige Zeit Fraktionsvorsitzender, schied dann aus persönlichen Gründen aus der Bezirksversammlung aus, um nach der letzten Bürgerschaftswahl als Listenfolger der heutigen grünen Landesvorsitzenden Maryam Blumenthal wieder in die Bezirksversammlung einzuziehen, wo er stellvertretender Vorsitzender des Planungsausschusses wurde. Damit hatte die grüne Fraktion nur noch 13 Mandate, soviel wie die CDU.
Nur eine Woche nach Schweim, erklärte der verkehrspolitische Sprecher Jan Otto Witt seinen Mandatsverzicht. Witt, der aus beruflichen Gründen nach Ahrensburg zog, hatte Schwierigkeiten damit, dass in einer Koalition nicht 1:1 das jeweilige Wahlprogramm umgesetzt werden kann, wandte sich in einem, für Irritationen sorgenden Schreiben an mehrere Regierungs- und Oppositionsfraktionen, in denen er nicht nur behauptete, er sei „einer der letzten gründenkenden Mandatsträger“, sondern auch Regierung und Oppositionsfraktionen belehrte, was sie besser zu machen haben. U.a. fehle es nach seiner Diagnose „am Willen etwas zu ändern“ (CDU), an „einem Plan, wohin es gehen soll“ (FDP) oder an „Zusammenhalt und Pespektive“ (Linke).
Nachrückerin für Witt ist Maria von Trotha (Platz 21 der Grünen Bezirksliste), „Seniorenbetreuerin“ und „Gesellschafterin” (Trotha über Trotha) aus Volksdorf. Trotha ist nicht Mitglied der Grünen und in weiten Teilen von Partei und Fraktion völlig unbekannt. Es wird behauptet, die Verantwortung hierfür trage die ehemaligen Kreisvorsitzende Maryam Blumenthal. Trotha reagierte auf Kontaktversuche der Grünen zunächst nicht und teilte später mit, sie wolle zwar das Mandat annehmen, sich aber nicht den Grünen anschließen – „ohne Angabe von Gründen“, so die Grünen. Damit verliert die rot-grüne Koalition ihre Mehrheit in der Bezirksversammlung und verfügt nur noch über 28 von 57 Mandaten (SPD: 16, Grüne: 12, CDU: 13, AfD: 5, Linke: 4, FDP: 4, z.Zt. fraktionslos: 3 )
„In diesen Krisenzeiten erwarten die Menschen von der Politik zurecht Stabilität und Verlässlichkeit. Die personellen Entwicklungen und persönlichen Entscheidungen bei den Wandsbeker Grünen sind das Gegenteil davon. Dass diese Vorkommnisse nun dazu führen, dass die rot-grüne Regierungsmehrheit in Hamburg größtem Bezirk nicht mehr besteht, ist ein schwerwiegender und bedauerlicher Vorgang. Wir werden mit unseren Partei- und Fraktionsgremien beraten, wie wir möglichst gemeinsam mit unserem Koalitionspartner schnell wieder mit stabile Mehrheiten für Wandsbek sicherstellen können. Wir waren, sind und bleiben als größte Fraktion und Partei in diesem Bezirk in der Verantwortung, stabile Verhältnisse für Wandsbek zu gewährleisten.“
Am Dienstag meldete sich von Trotha dann doch noch gegenüber dem Blog 24hamburg.de zu Wort:
„Scheinbar kam es seitdem zu Querelen innerhalb der Grünen Fraktion, sodass ich mich vorerst nicht in diese internen Probleme integrieren will“.
In einer undurchsichtigen Situation wolle sie sich aber noch später im Detail äußern – nicht zuletzt auch wegen der Wandsbeker Bürger. Die neue Mandatsträgerin weiß: „Die Menschen im Bezirk Wandsbek haben ein Recht darauf zu erfahren, wer sie vertritt.“
Nun ja, den Menschen im Bezirk Wandsbek ist es bestimmt wichtig zu erfahren, wer sei vertritt, ob es den grünen Wählerinnen und Wählern recht ist, wenn grüne Wahlvorschläge sich noch vor Mandatsantritt von ihrer Partei lossagen, darf aber ruhig bezweifelt werden. Bei 194.537 Wählenden (Gültige Stimmzettel: 189.812) konnten die Grünen im Bezirk Wandsbek auf der Bezirksliste 246.166 Stimmen (26,3 %) erzielen, konkret auf Maria von Trotha entfielen dabei 956 Stimmen. Abgeordnete, die aus Fraktionen austreten, berufen sich gerne auf einen eigenständigen Gestaltungsauftrag, den „ihre“ Wähler ihnen persönlich erteilt hätten. Richtig ist das selten. Meistens war es Wählenden doch eher wichtig, Vertreterinnen und Vertreter einer bestimmten Partei zu wählen.
Letzte Aktualisierung: 26.10.2022