Die geplante Unterbringung von Geflüchteten am Luisenhof in Farmsen trifft auch weiterhin auf ein großes öffentliches Interesse.
Die Sozialbehörde hatte im Juli dem Vorsitzenden der Bezirksversammlung Wandsbek, André Schneider, mitgeteilt, dass sie beabsichtige, im Rahmen der Aktivierung von Reserveflächen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (örU) auf dem Grundstück Am Luisenhof westl. Nr. 16, einen Unterbringungsstandort mit 304 Plätzen zu schaffen” und hierzu die gesetzlich vorgeschriebene (§ 28 BezVG) Anhörung der Bezirksversammlung in die Wege geleitet (Drs. 21-5567).
In der Sommersitzung des Hauptausschusses am 25.07.2022 legte die rot-grüne Koalition eine Beschlussempfehlung (Drs. 21–5582) vor, mit der sie die Nutzung der geplanten Fläche nicht grundsätzlich verwarf, jedoch auf zahlreiche Probleme hinwies und insbesondere auf das Erfordernis einer Verstärkung der sozialen Infrastruktur verwies. Die Koalition verwies zudem darauf, dass der Stadtteil Farmsen-Berne, vor allem der Ortsteil Farmsen bereits im erheblichen Umfang zur Integration Geflüchteter beiträgt und auch weiterhin eine möglichst breite Verteilung auf die Stadtteile gefordert wird. Die Koalition schlug zudem vor, die Maßnahme zeitnah und unter Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner im zuständigen Regionalausschuss vorzustellen
Nach einer emotionalen Debatte, an der auch zahlreiche Anwohner teilnahmen, wurde der Antrag unter Ergänzung von Hinweisen aus dem Publikum mit den Stimmen der Koalition angenommen.
Zwischenzeitlich wurden auf der Fläche Bodenuntersuchungen vorgenommen, welche auch von Seiten der Anwohner gefordert wurden, da diese u.a. annehmen, dass aufgrund erhöhter Grundwasserstände Bauvorhaben nur mit erheblichen Mehrkosten umgesetzt werden könnten.
Auf eine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Kappe teilte der Senat mit, er rechne mit einem Baubeginn noch im 4. Quartal 2022, ein ambitionierter Ansatz. Auf Nachfrage der SPD-Fraktion teilte die Verwaltung mit, dass inzwischen auch ein Bauantrag vorläge. Über diesen muss nun der Bezirk entscheiden.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Vorgehen der CDU. Beschäftigt sie sich auf ihrem Parteitag im September lieber mit Genderfragen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Haarlänge von Toni Hofreiter, als mit den Themen der Zeit, so lässt sie auch in Hamburg eine inhaltliche Auseinandersetzung vermissen.
Gab es vor sechs, sieben Jahren noch einzelne Akteure der Partei, z.B. aus dem Ortsverband Farmsen-Berne, die sich in aller Deutlichkeit gegen die Unterbringung von Geflüchteten aussprachen und sich auch nicht scheuten, rassischtische Narrative zu verbreiten, so fehlen diese Stimmen inzwischen glücklicherweise in der Partei. Durch menschenfeindliche Auftritte fällt in der Bezirksversammlung nur die AfD mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Dietmar Wagner auf. Gleichwohl scheint es so, als bemühe sich die CDU, sich durch das zielgerechte Verstärken von Sorgen der Nachbarn und politische Spielchen zu profilieren.
Der Bramfelder CDU-Abgeordnete Sandro Kappe, auf dessen Wunsch der Senat sogar die Toiletten im ehemaligen Schulgebäude Lienaustraße nachzählt (Drs. 22/8922) rügt einerseits “fehlende Transparenz”, verbreitet andererseits gezielte Nebelkerzen, z.B. in dem er behauptet “Senat und die rot-grüne Mehrheit im Bezirk hätten (…) entschieden” und dies auch noch zu “hastig”. Ihm dürfte dabei tatsächlich klar sein, dass die zuständige Landesbehörde die Entscheidungen trifft und der Bezirk nur im Verfahren Stellung nimmt, schließlich war er ja selbst Bezirksabgeordneter. Mit der Erzählung, der Bezirk beschließe etwas quasi heimlich in der Sommerpause, erregt man aber mehr Aufmerksamkeit, als mit einer sachlichen Positionierung oder Kritik. Viel Zeit investiert er auch darin, herauszuarbeiten, dass die BV-Geschäftsstelle vorsorglich einerseits eine Fristverlängerung bei der Fachbehörde erbeten hat, der Hauptausschuss aber andererseits in der gesetzlichen Monatsfrist geantwortet hat. Kappe fabuliert sich zusammen, rot-grün hätte das “Thema trotz Fristverlängerung einfach abräumen woll(t)en, schließlich war ja Sommerpause und viele Bürgerinnen und Bürger im Urlaub.” Auch hier ist das Gegenteil richtig, die Koalition wollte ihre eigenen Bedenken und die Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner im Regionalausschuss schnellstmöglich auf den Weg bringen – könnte man auch im rot- grünen Antrag so nachlesen.
Im Urlaub war vielleicht Kappe, nicht aber die CDU-Fraktion, die im Hauptausschuss überhaupt nicht sommerlich bedingt personell geschwächt war. Sie brachte sogar ihren örtlichen Wahlkreisabgeordneten Ralf Niemeyer mit, der sich dann aber leider überhaupt nicht zu Wort melden wollte. Die CDU-Fraktionsvorsitzende, Natalie Hochheim, beklagte aber, sie hätte schon immer eine Konferenz der Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen, eine Idee, die nicht umgesetzt würde. Welche Fraktionen im August nicht erschienen, als die Staatsräte von Innen- und Sozialbehörde, Bernd Krösser und Petra Lotzkat die Fraktionsvorsitzenden einluden, um über die Änderungswünsche der Bezirkspolitik in Bezug auf eine andere Unterkunft zu diskutieren, irritiert dann umsomehr – es waren CDU und AfD, wobei von der letzteren auch keine sachdienlichen Beiträge zu erwarten sind. Eigene Ideen, Kritik oder Hinweise zum Luisenhof hat die CDU im Verfahren auch weiterhin nicht eingebracht, weder in der Sommersitzung des Hauptausschusses, in der die Koalition auch Änderungswünsche der Opposition in ihren Antrag aufnahm, noch in der Bezirksversammlung am 8. September. Einen Gestaltungsanspruch hat die CDU eher nicht, was sie nicht daran hindert, sich als Sachwalterin der tatsächlichen und vermeintlichen Interessen vor Ort zu präsentieren.
Verunsicherung anheizen schien dann auch die Absicht des langjährigen CDU-Planungssprechers Philip Buse zu sein, der im Hauptausschuss das Publikum treuherzig fragte, wofür eigentlich der Buchstabe “L” stünde, welcher sich im Baustufenplan Farmsen in Bezug auf die Fläche finden lasse, um so dann auch gleich die Antwort zu geben, in der Legende der Karte fände sich der Hinweis, dies bedeute “Landschaftsschutzgebiet”. Immerhin, nach dem Motto, wenn Du sie nicht überzeugen kannst, verwirre sie, war er damit kurzfristig erfolgreich. Den Eindruck zu verbreiten, die Fläche sei ein Landschaftsschutzgebiet, ist aber schlicht unseriös. Der Baustufenplan Farmsen wurde 1955 durch den Senat in Kraft gesetzt, auf Basis der uralten Baupolizeiverordnung von 1938. 1960 beschloss der Bundestag das Baugesetzbuch, welches, wie auch die Hamburgische Bauordnung, überhaupt keine Baustufenpläne mehr kennt. Weite Teile der Baustufenpläne haben heute überhaupt keine Rechtsgültigkeit mehr und wurden zudem an vielen Stellen durch aktuelles Recht ersetzt (www.hamburg.de/planportal). Nur dort, wo die Bezirksversammlung auch weiterhin keinen Bebauungsplan erlassen hat, finden die Baustufenpläne als sogenannte “übergeleitete Bebauungspläne” teilweise weiter Anwendung. Wer nun wissen will, welche Flächen Hamburg als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen hat, muss einen Blick in die einschlägigen Verordnungen des Senats werfen (www.hamburg.de/schutzgebiete) und nicht alte Baustufenpläne studieren. Das Landschaftsschutzgebiet Farmsen (HmbGVBl. 1980, S. 368) liegt jedenfalls nicht am Luisenhof. Auch hier gilt, dem Kollegen Buse dürfte das klar sein.
MB