Farmsen-Berne vor fünfzig Jahren.
Vor fünfzig Jahren berichtete der Berner Bote u.a. über die Wahl von Peter Schulz zum neuen Bürgermeister.
Vor fünfzig Jahren berichtete der Berner Bote u.a. über die Wahl von Peter Schulz zum neuen Bürgermeister.
Zitate aus dem Berner Boten von Juli/August 1971
JULI 1971
Peter Schulz neuer Erster Bürgermeister (Seite 1)
Am 9. Juni 1971 hat der Senat an Stelle des aus Altersgründen zurückgetretenen Ersten Bürgermeisters Prof. Dr. Herbert Weichmann Bürgermeister Peter Schulz zu seinem Präsidenten (Erster Bürgermeister) und Senator Helmuth Kern zu dessen Stellvertreter (Zweiter Bürgermeister) gewählt.
Peter Schulz und Helmuth Kern gehören wie Prof. Dr. Weichmann der sozialdemokratischen Partei an. Mit dem Wechsel in der Führung des Senats tritt Prof. Dr. Herbert Weichmann von der politischen Bühne aber noch nicht ganz ab. Er will auch in Zukunft als Abgeordneter in der Bürgerschaft bleiben, um hier mit seiner reichen Erfahrung auch weiterhin unserer Stadt zu dienen.
1948 kehrte Prof. Dr. Weichmann aus Amerika, wohin ihn Hitler und seine Schreckensherrschaft vertrieben hatten, nach Deutschland, nach Hamburg zurück. Der damalige Bürgermeister Max Brauer hatte ihn in das Amt des Rechnungshofpräsidenten berufen. 1957 folgte die Wahl zum Finanzsenator. Und 1965 – vor nunmehr genau 6 Jahren – wählte ihn der Senat zum Ersten Bürgermeister von Hamburg. Er war zusammen mit seiner Frau ein hervorragender Botschafter unserer Stadt und darüber hinaus für die Bundesrepublik Deutschland.
In seiner Zeit gelang der Sozialdemokratie 1966 der größte Wahlerfolg in Hamburg als 59 % der Stimmen auf die SPD entfielen und 74 der 120 Abgeordneten in der Hamburger Bürgerschaft der Sozialdemokratischen Partei angehörten.
Sein Nachfolger Peter Schulz wird es nicht leicht haben, aber er wird seinen eigenen Stil entwickeln und die Politik seines Vorgängers gradlinig fortführen. Der Wachwechsel im Rathaus bedeutet keine Wende, sondern lediglich die Übergabe des höchsten Hamburger Staatsamtes in jüngere Hände. *Die Bürger Hamburgs danken Bürgermeister a. D. Prof. Dr. Herbert Weichmann für seine hervorragende und erfolgreiche Arbeit für unsere Heimatstadt. Die Übertragung der Ehrenbürgerschaft an Prof. Dr. Weichmann ist das sichtbare Zeichen dafür. Die Bürger wünschen aber gleichzeitig ihrem neuen „Ersten“ Peter Schulz viel Glück bei der Lösung der vielfältigen Aufgaben in unserem Stadtstaat.
Heiner Widderich, MdBü
Im Blickpunkt (Seiten 6 und 7)
„Überall begegnen wir Menschen, die den Frieden wünschen, von denen keiner Haß gegen die Araber hegte, und die nichts anderes wollen, als dass ihr Land in wirklichen Verhandlungen mit den arabischen Nachbarstaaten zu einem gesicherten Frieden gelangt, der allen zusammen die Möglichkeit bieten wird, in ehrlicher Arbeit aus Wüste Ackerland und aus Flüchtlingen seßhafte werktätige Menschen zu machen.“
Herbert Wehner, stellv. SPD- und Fraktionsvorsitzender im Bundestag, am 5. Mai 1971 in Bonn nach seiner Rückkehr vom Israel-Besuch.
„Es ist prinzipiell möglich und sogar dringend wünschenswert, für Forschung, Entwicklung, Beschaffung und Bauten sehr viel kritischer zu prüfen, genauer zu rechnen, sparsamer hauszuhalten, als dies in den vergangenen Jahren üblich war. Unsere neuen Verfahren der Rüstungsplanung und -beschaffung werden erhebliche Einsparungen bewirken. Ich denke an mehrere Millionen im Jahr.“
Helmut Schmidt, Bundesverteidigungsminister, am 2. Juni 1971.
„Es geht nicht an, am Arbeitsplatz höhere Löhne, am Familientisch niedrigere Preise und am Stammtisch niedrigere Steuern zu verlangen.“
Willy Brandt, Bundeskanzler und SPD-Vorsitzender, am 11. Mai 1971 im Bundestag.
„Es ist unser Wunsch, die Verständigung, die wir mit den Staaten des Westens schon seit geraumer Zeit erzielt haben, über alle Gräben ideologischer und politischer Anschauung hinweg auch mit den Völkern des europäischen Ostens zu erreichen.“
Dr. Dr. Gustav W. Heinemann, Bundespräsident am 18. Mai 1971 in Bukarest.
„Wenn die beteiligten Mächte nicht mit der Berlinfrage fertig werden, dann kann man auch nicht erwarten, dass sie mit den Problemen einer europäischen Sicherheitskonferenz fertig werden.“
Walter Scheel, Bundesaußenminister, am 18. Mai 1971 in Bukarest.
„So schnell vergeht die Zeit: Was vor einem Jahr wie ein Eisbruch war in Erfurt und in Kassel, das erweckt heute die Frage, habt Ihr noch immer keine Ergebnisse vorzuzeigen?“
Egon Bahr, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, am 20. Mai 1971 vor dem 12. Gespräch mit DDR-Staatssekretär Dr. Michael Kohl.
„Die notwendige Verbesserung unserer militärischen Sicherheit darf nie so ver-*standen werden, als stünde sie im Widerspruch zu der von uns allen ange- strebten Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion und den anderen Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes.“ * Willy Brandt, Bundeskanzler, am 25. Mai 1971 vor der Nuklearen Planungsgruppe der NATO in Mittenwald.
AUGUST 1971
Gute Chancen für 1973 (Seiten 1 und 2 -Auszug-)
Von Albrecht Müller, Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit beim SPD-Vorstand
Neun Landtagswahlen sind seit den letzten Bundestagswahlen über die Bühne gegangen. Der Eindruck von diesen Wahlen wird mehr von Erwartungen und gemachten Meinungen bestimmt als von den Zahlen und ihrer sachlichen Interpretation. Wenn man den Schleier der Unsicherheit und der im Anschluss an Schleswig-Holstein bei der Opposition verbreiteten Siegesstimmung beiseite schiebt, wenn man die Zahlen nüchtern prüft und mit früheren Situationen vergleicht, dann wird man feststellen: SPD und Koalition haben nicht viel verloren. Hochgerechnet hat die Koalition genau 0,2 Prozent eingebüßt.
Willy Brandt hat gute Chancen, auch 1973 wieder zum Kanzler gewählt zu werden.*Das ist kein Zweckoptimismus. Das ergibt sich aus einem genauen Studium der Zahlen. Die Ergebnisse der Landtagswahlen in den verschiedenen Ländern ergeben für die SPD und FDP insgesamt keinen durchgängigen Trend.*Am erfolgreichsten war die SPD in Niedersachsen, wo sie 2,5 Prozent Stimmen zugewinnen und damit im Land allein regieren konnte. Interpretiert man die Wahlergebnisse von SPD und FDP als Block, so können die Landtagswahlen in Hamburg, Niedersachsen und Hessen als erfolgreich gelten; in Bayern und Rheinland-Pfalz wurde immerhin der Stand von 1969 gehalten.
Dass Regierungsparteien zwischen den Bundestagswahlen verlieren und Oppositionsparteien gewinnen, ist in vielen Ländern üblich. Die jetzige Koalition hat 0,2 Prozent ihrer Bundestagsstimmen eingebüßt. Das ist kein großer Verlust.
Denn Umbruch erzeugt Ungewissheit: Wer Reformen will, schafft zunächst einmal Unsicherheit. Die Ergebnisse und der Nutzen für alle werden erst später erkennbar. Solange Politik im Fluss ist, haben Demagogen leichtes Spiel. *In der Ostpolitik sind innerhalb eines Jahres viele Tabus gefallen. Der Bevölkerung wird im Interesse einer langfristig vernünftigeren Politik zugemutet, sich von lieb gewordenen Formeln zu lösen. Die Wahlergebnisse zeigen, dass sie zu einem unerwartet hohen Maße dazu bereit ist. Es ist erstaunlich, dass die Koalitionsparteien in der jetzigen Phase der Friedenspolitik nicht stärker abgerutscht sind. Für die CDU/CSU muss es frustrierend sein, dass ihr rechtes Trommelfeuer bei den Vertriebenen nicht mehr gebracht hat.
Die Legislaturperiode dauert vier Jahre. Das ist so, damit eine Regierung auch unpopuläre Aktionen starten kann. Dass die erste sozialdemokratisch geführte Bundesregierung besonders viel scheinbar Gesichertes in Frage stellt und deshalb ein besonderes Tief erwarten musste, ist klar. Das Tief war jedoch gar nicht so tief. Schon das läßt für 1973 hoffen.*Dieser Optimismus mag manchen überraschen. Er ist begründet, wenn es gelingt, die möglichen Wähler der SPD zu mobilisieren. Es wird im Jahre 1973 mehr denn je auf die Mitglieder der SPD und ihre Sympathisanten ankommen. Auf ihre Leistung als Informanten und Meinungsträger. *Schleswig-Holstein hat erwiesen, was in harten Wahlkämpfen von einer national-konservativen Presse zu erwarten ist: Unerbittlicher Gegenwind. *Optimismus ist begründet, wenn es gelingt, Stimmen aus dem heutigen Potential der CDU/CSU herauszubrechen, denn durch die Abwanderung der NPD-Wähler zur CDU/CSU kommen für die Mandatsverteilung insgesamt mehr Stimmen zur Abrechnung; das heißt, dass SPD und FDP 1,1 Prozent mehr Stimmen benötigen als 1969, um die gleiche Zahl der Mandate wie damals zu erhalten.
1,1 Prozent der Gesamtwählerschaft sind genau 6,4 Prozent jener Arbeitnehmer, die heute noch CDU/CSU wählen. Jeder 17. aus dieser Gruppe müsste zu gewinnen sein, wenn er erkennt, dass die CDU/CSU in erster Linie Unternehmerpartei ist, wie der Geschäftsführer der CDU-Sozialausschüsse seine eigene Partei genannt hat.
1,1 Prozent der Gesamtwähler sind 2,0 Prozent aller Frauen. Es müsste möglich sein, jede 50. Frau von ihnen zu überzeugen, dass mit Franz Josef Strauß der Friede in Europa nicht sicherer wird.*Die Koalition hat viele Pfunde. Es kommt darauf an, damit zu wuchern.
Anmerkung der Redaktion: 1969 wurde der Bundestag zuletzt gewählt. SPD und FDP hatten zusammen eine Mehrheit im Parlament und bildeten die erste sozialliberale Koalition. Willy Brandt (SPD) wurde Bundeskanzler und Walter Scheel (FDP) Bundesaußenminister. Man nahm an, dass in vier Jahren, also 1973, der Bundestag neu gewählt würde. Tatsächlich wurde aber schon 1972 gewählt, was der Verfasser des Artikels aber natürlich 1971 nicht wissen konnte, als er die Chancen für die sozialliberale Koalition für 1973 beschrieb. Und was die SPD von einer national-konservativen Presse zu erwarten hat, hat sich im Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein im April 1971 gezeigt. Nicht nur unerbittlichen Gegenwind, sondern auch die Verbreitung von Unwahrheiten, um eine Wahl zu beeinflussen.
Hier die Geschichte in Kurzfassung (siehe auch Berner Bote vom Juni 2021 Seite 6): Kaum eine deutsche Zeitung nahm das Spektakel um den obskuren Kölner Professor Rubin (CSU-Freundeskreis) ernst, der seine eigene Entführung vortäuschte, um, wie er inzwischen vor der Polizei gestand, „Volkszorn gegen die Linke zu entfachen“ und damit die Kieler Wahl zu beeinflussen. Nur den Springer-Blättern „Bild“ und „Welt“ war selbst diese Tour ein gefundenes Fressen in ihrem blindwütigem Kesseltreiben gegen die SPD während des Landtagswahlkampfes in Schleswig-Holstein. Wieder einmal ließen „Bild“ und „Welt“ jede Skepsis vermissen. Den Lesern wurden die Schlagzeilen vorgesetzt: Am 23.4.71 in „Bild“: Entführer schickten Drohbrief: „Laßt Mahler frei – oder wir töten Professor Rubin“ – Schlagzeile „Welt“ am 24.4.71: „Rubin und Metzger vermutlich von Baader-Gruppe entführt“.“ „Bild“ am Tag nach der Wahl, kleinlaut: „Entführung war nur vorgetäuscht.“
Kosten des Umweltschutzes (Seiten 5 und 6 -Auszug-)
1961 sagte Willy Brandt im Regierungsprogramm, mit dem er sich zur Wahl stellte: „Reine Luft, reines Wasser und weniger Lärm dürfen keine papierenen Forderungen bleiben. Erschreckende Untersuchungsergebnisse zeigen, dass im Zusammenhang mit der Verschmutzung von Luft und Wasser eine Zunahme von Leukämie, Krebs, Rachitis und Blutbildveränderungen sogar schon bei Kindern festzustellen ist. Es ist bestürzend, dass diese Gemeinschaftsaufgabe, bei der es um die Gesundheit von Millionen von Menschen geht, bisher fast völlig vernachlässigt wurde. Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden.“
Diese Forderung feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum. Geschehen ist in der Zwischenzeit nichts.
Erst die Bundesregierung Brandt/Scheel hat damit begonnen, die Grundlagen für einen wirksamen Umweltschutz und für ein Sofortprogramm zu erforschen.
Nur: Was im Jahre 1961 Millionen gekostet hätte, kostet heute Milliarden.*Wieder einmal zeigt sich: Wer rechtzeitig plant, spart Geld.
Ende der Zitate aus den Berner Boten von Juli und August 1971
Heiner Widderich