Zitate aus dem Berner Boten vom April 1968
Helmut Schmidt: Aus einer aktuellen Stunde des Bundestages (Auszug Seiten 1-3)
In der zur Verfügung stehenden Zeit kann man sich wohl nur auf zwei oder drei Gedanken beschränken.
Zunächst einen an einen bestimmten Teil der jugendlichen Opposition. Sie muss wissen, dass Leute, welche die repräsentative Demokratie, die freiheitliche Gesellschaftsordnung, zum Gegenstand des Hohnes machen und der Aggression, dass die sich auf den Weg mancher begeben, die im Namen des Proletariats eine Diktatur über das Proletariat errichten.
Dieses Haus weiß, dass unsere Wirtschaftsordnung, dass unsere Gesellschaft, dass unser Staat tausend Fehler haben, die Kritik verdienen. Aber die geschichtliche Erfahrung dieser Nation in beiden Teilen lehrte uns unter schrecklichen Opfern, dass alle anderen Ordnungen weit größere Risiken bedeuten. Und wenn wir Deutschen aus den Diktaturen über unser eigenes Volk eines gelernt haben, dann doch jedenfalls dies, dass Toleranz gegenüber dem Andersdenkenden und dem Anderswollenden zu den höchsten Maximen einer anständigen und freien Gesellschaft gehört.
In der Demokratie setzt der Bürger seine Meinung durch, indem er diskutiert, indem er eigene Vorschläge macht, indem er wirbt für seine eigenen Vorstellungen letztlich durch Stimmzettel. Gewalt aber darf in unserem Staat ein Bürger nur anwenden im Falle der Notwehr. Von Notwehr, von Gefahr für Leib und Leben kann auch bei dem so verschleppten Problem der Universitätsreform überhaupt keine Rede sein.
Das Toleranzgebot gilt für uns alle, und wir alle müssen wissen, dass geistige und politische Unruhe erlaubt ist, soweit sie die Rechte anderer nicht gefährdet.
Ein weiteres Wort, das geht auch an alle Bürger im Lande. Wir alle müssen die Zivilcourage aufbringen, den Feinden der Demokratie auch persönlich entgegenzutreten und mit denen, mit denen man reden kann, zu reden; ob es sich um die Anarchokommunisten handelt, die sich hier oder da an Universitäten breit machen oder um diejenigen, die am Kiosk die National- und Soldatenzeitung kaufen.
Ein letztes Wort an diejenigen, die im Lande oder in den Städten oder an den Universitäten amtliche Verantwortung tragen. Sie haben die Gesetze und das Recht zu wahren und dafür zu sorgen, dass, wer gegen das Recht sich vergeht, vor seinen Richter kommt. Und dafür zu sorgen, dass, wer die Rechte anderer buchstäblich mit Füßen tritt und buchstäblich mit Steinen bewirft, daran gehindert wird, dies zu tun.
Anmerkung der Redaktion:
Helmut Schmidt
(* 23.12.1918 in Hamburg-Barmbek;
† 10.11.2015 in Hamburg-Langenhorn)
Von 1967-1969 war er Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. In dieser Funktion hielt Helmut Schmidt vor dem Deutschen Bundestag die oben in Auszügen abgedruckte Rede zu den Studentenunruhen an den deutschen Universitäten.
Von 1969-1972 war er Bundesminister der Verteidigung.
Von 1972-1974 war er Bundesminister der Finanzen.
Und von 1974-1982 war er Bundeskanzler einer sozialliberalen Koalition.
Gedämpfter Optimismus (Auszug Seite 3)
Im Herbst 1966 kam die „Schrecksekunde“: Berufsmaßhalter Ludwig Erhard war gescheitert, seinem Treibenlassen der Wirtschaft folgten erste Anzeichen einer Krise, die die erfolgsgewohnten Arbeiter und Unternehmer der Bundesrepublik schockierten. Noch heute künden Autohalden in den großen Herstellerwerken, künden zurückhaltende Investitionsfreudigkeit der Unternehmer von dem nachhaltigen Schock, den alle erlitten und – noch nicht ganz – überwunden haben. Inzwischen hatte der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl Schiller, ein relativ junger und mit Energie und Optimismus geladener Fachmann, das Wirtschaftsruder übernommen. Das harte Jahr 1967 über schien er ein Rufer des Wachstums in einer dürren Wirtschaftswüste. Manche belächelten schon seinen Optimismus. Sein Rezept: „Versetzt die Massen in die Lage, mehr zu konsumieren, dann kann die Wirtschaft mehr produzieren!“ schien so simpel, dass es den an komplizierte Rechnungen gewöhnten Unternehmern zu einfach schien, um glaubhaft zu sein. Das von widersprüchlichen Prognosen gekennzeichnete Jahr 1967 musste erst vergehen, bis sich die Richtigkeit der einfachen Rechnung herausstellte. Diesen Fakten mochten sich auch die Unternehmer nicht verschließen, die beim „Gespräch zur konzertierten Aktion“ ihr „Ja“ zu Lohn- und Gehaltsaufbesserungen um etwa 5 Prozent für 1968 gaben.
Für die Arbeitnehmer bedeuten – angesichts angehobener Versicherungssätze, angesichts der Mehrwertsteuer und der aus anderen Gründen verteuerten Lebenshaltung – die in Aussicht gestellten 4 bis 5 Prozent mehr Lohn und Gehalt nur die Erhaltung des Status quo. Auch hierfür muss man, angesichts der Umstände, dankbar sein. Ein Grund zum Jubeln besteht jedoch nicht. Allenfalls ein Grund zu gedämpftem Optimismus. Der Pragmatiker weiß: Bergabwärts rutscht es sich schneller, als es sich aufwärts klettert!
Anmerkung der Redaktion:
Karl Schiller (1911-1994)
Er trat 1946 in die SPD ein.
Von 1946-1957 war er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und von 1965-1972 Mitglied des Deutschen Bundestages.
Von 1966-1972 war er erster sozialdemokratischer Bundesminister für Wirtschaft und von 1971-1972 zusätzlich Bundesminister der Finanzen.
In Hamburg: 1948–1953 Senator für Wirtschaft und Verkehr
In Berlin: 1959–1965 Senator für Wirtschaft
Ludwig Erhard (* 1897; † 1977)
Er war von 1949-1963 Bundesminister für Wirtschaft und von 1963-1966 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Sport in Hamburg(Auszug Seite 18)
Auf dem Verbandstag des Hamburger Leichtathletik-Verbandes im Haus des Sports sagte Senator Ruhnau, er sei nicht nur gekommen, um die Verbandsprobleme kennenzulernen, sondern um in erster Linie den freiwilligen Helfern in den Vereinen zu danken. Der Senator wies auf die vielfachen Förderungen für den Breitensport und den Leistungssport hin. Als Beispiel nannte er die Sporthalle Alsterdorf, mit deren Einweihung im Herbst zu rechnen sei. „Diese Halle“ so führte er aus, „soll neue und bisher nicht vorhandene Möglichkeiten für den Leistungssport in seinem Alltag geben und zur Vorbereitung auf Wettkämpfe dienen. Die Halle in Alsterdorf wird der Hamburger Leichtathletik wichtige neue Impulse verschaffen.“
Anmerkung der Redaktion:
Heinz Ruhnau (* 5.3.1929 in Danzig)
1966-1974 stellvertretender SPD-Landesvorsitzender in Hamburg.
1961-1974 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft
1965-1973 Innensenator
3 Wochen Ferien im waldigen Mittelfranken (Seite 20)
Rund 50 km südlich von Nürnberg liegt auf waldiger Anhöhe der kleine Ort Reinwarzhofen. Hier werden die Hamburger Falken ihr diesjähriges Zeltlager errichten.
Bei guter Verpflegung wird den Großstadtkindern ein erlebnisreiches Programm geboten. Zahlreiche Hobbygruppen, Spiel und Sport, Wanderungen und Wanderspiele, Busfahrten in die Fränkische Schweiz, Film und Tanz sollen hier nur als Schlaglichter des bunten Zeltlagerlebens genannt sein.
Mädchen und Jungen im Alter von 9-14 Jahren sind herzlich eingeladen.
Reisetermin: 4.-25.8.1968
Unkostenbeitrag: 150,- DM für Fahrt, Unterkunft und Verpflegung (4 Mahlzeiten).
Auskunft und Anmeldung: Sozialistische Jugend „Die Falken“ 2 Hamburg 1, Kurt-Schumacher-Allee 10, Telefon 24 34 74
Abschlussfeier in der Berner Schule(Auszug Seite 21)
Am 13. März fand in der Berner Schule die Abschlussfeier für die Schüler der Volks- und Realschule statt.
Der Schulleiter, Herr Wilken, begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste, unter denen sich auch die Schulrätin Frau Elze befand, sowie ehemalige Lehrer dieser Schule, den Elternrat und Mitglieder des Schulvereins.
65 Schüler wurden an diesem Abend von ihrer Schule verabschiedet.
Gesang und Vorträge der jüngeren Klassen gaben den festlichen Rahmen.
Der Klassenlehrer der Realschule, Herr Gruner, hielt die Abschiedsrede. Er forderte die Schüler auf, dass sie sich zu kritischen Menschen entwickeln und nicht die Anpassung um jeden Preis suchen sollen.
Nach der Rede wurden an die Schüler die Zeugnisse verteilt und außerdem erhielten zwei Schüler einer jeden Klasse einen Buchpreis für guten Einsatz in der Gemeinschaft.
Der Elternratsvorsitzende, Herr Riemann, bedankte sich dann bei Herrn Gruner und Herrn Alms für alles Bemühen um die Schüler und wünschte den Abgängern für die Zukunft alles Gute.
Nun folgte das mit Spannung erwartete Singspiel „Der Nachtwächter“. Frl. Koch und ihre Klasse 9 wollten mit diesem Spiel den abgehenden Schülern einen Abend bereiten, den sie in schöner Erinnerung behalten sollten. Das Stück wurde mit so viel Freude und großer Unbefangenheit gespielt, dass sehr schnell die Zuschauer von großer Heiterkeit erfaßt wurden. Zum Schluss gab es dann auch ganz großen Beifall.
Wie schön wäre es, wenn man der Turnhalle für so einen festlichen Abend auch einen festlichen Anstrich geben könnte. E. Graf
Ende der Zitate aus dem Berner Boten vom April 1968
Heiner Widderich (Berner Bote, April 2018)