Ende November 2017 startete der Naturschutzbund (NABU) eine Volksinitiative mit dem Namen „Hamburgs Grün erhalten“. Ziel des Naturschutzbundes ist es, ab Stand 1. Juli 2018 den Wohnungsbau zu beschränken und die Verteilung von Flächen in bebaute und unbebaute Flä-chen auf diesem Stand einzufrieren. Damit soll eine Entscheidung in einem angeblichen Verteilungskampf zwischen Wohn- und Grünflächen der Stadt erzwungen werden, der nach Ansicht der SPD in dieser Schärfe nicht ansatzweise existiert. Der NABU wirbt jetzt um Unterschriften, um zur Bürgerschaftswahl 2020 einen Volksentscheid zu erzwingen. Die SPD warnt vor schwerwiegenden Folgen für Mieten und Wohnungsmarkt.
Die Umweltschützer des NABU führen als Hauptargument an, Hamburgs Siedlungsflächen hätten in den vergangenen Jahren um durchschnittlich 200 Hektar pro Jahr zugenommen und erweckt damit den Eindruck, diese Flächen würden pro Jahr durch Wohnungsbau der Natur entzogen.
Zunächst klingt diese Zahl erschreckend, doch schon beim zweiten Blick zeigt sich: Diese Angabe ist irreführend, denn der technische Begriff „Siedlungsflächen“ umfasst neben Gebäuden auch Erholungs- und Grünflächen, Kleingärten, Spiel- oder Sportplätze sowie Freiflächen, die im Rahmen von Neubauten oder Wohnumfeldverbesserungen zwischen den Gebäuden angelegt wurden. Selbst Friedhöfe fallen in diese Kategorie. Außerhalb dieser Siedlungsflächen bleiben nur die Reviere der Forst- und Landwirte, zu deren Schutz sich alle Parteien seit Jahrzehnten bekennen.
Der Nabu wittert eine „Salamitaktik“ des Senates und beklagt die Zunahme von
riesigen Gebieten an Siedlungsfläche zu Lasten der Grüngebiete. Doch selbst die Wochenzeitung ZEIT nennt das in ihrer Ausgabe vom 7. Dezember einen „Trick der Naturschützer“, denn: Nur aufgrund der statistischen Erst-Erfassung riesiger Flächen des Stadtgebietes ab 2001 hat die Siedlungsfläche der Stadt seitdem
offiziell um 1.800 Hektar zugenommen. Aber eben nur auf dem Papier. Die ZEIT konstatiert: „Die große Naturzerstörung, die der NABU beklagt, hat in Wirklichkeit nie stattgefunden“ und ergänzt: „Die Fachleute des NABU wissen das oder müssten es […] wissen“.
Was man auch wissen muss: Von den rund 75.500 Hektar Stadtgebiet sind heute rund 46.000 Hektar Grünflächen – und die Hälfte aller als Siedlungsgebiete ausgewiesenen Flächen sind es ebenso. Rund ein Drittel des gesamten Stadtgebietes ist als Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Die tatsächlich entstehenden Neubauprojekte gründen sich in der Regel nicht auf Grünflächen, sondern auf sogenannten Kon- versionsflächen – also solche, die zuvor anders genutzt wurden und etwa durch Hafen, Bahn oder Gewerbe brach lagen. Dazu zählt die Mitte Altona mit 3.500 Wohnungen auf einem alten Bahngelände, Vorhaben in urbanem Gelände stromaufwärts an Elbe und Bille oder auf dem ehemaligen Hafengelände am Kleinen Grasbrook.
Was würde passieren, wenn wir diese Flächenverteilung, wie vom NABU gefordert, mit Stand vom 1. Juli 2018 nicht mehr antasten könnten?
Zum einen dürften für Neubauten keine neuen Freiflächen mehr in Anspruch genommen werden. Das würde die Mieten in einem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt noch weiter in die Höhe treiben und vor allem wirtschaftlich schwä-chere Mieterinnen und Mieter übermäßig belasten. Gentrifizierung, Steigerung von Mieten und Immobilienpreisen, aber auch zusätzliche Verkehrsbelastung durch mehr Pendler und schwindende Steuereinnahmen durch Fortzug ins Umland wären die Folge.
Ironischerweise dürften nach Vorschlag des NABU aber auch keine weiteren Flächen für Parks, Sportanlagen, Kleingärten, Landschafts- oder Naturschutzgebiete ausgewiesen werden – die Verteilung von Wohn- zu Grünfläche soll ja eingefroren werden. Der A7-Deckel würde grau bleiben, Grünanlagen in Neubaugebieten, wie in vielen aktuellen Bebauungsplänen zu finden, würden entfallen.
Fakt ist: Hamburg ist eine grüne Stadt und wird es unter einer SPD-geführten Regierung auch immer bleiben. Die große Naturzerstörung, die der NABU beklagt, hat es schlicht nicht gegeben. Der Vorschlag des NABU, die Flächenverteilung einzufrieren, würde sowohl für höhere Mieten sorgen, als auch die Neuausweisung von Grünflächen verhindern. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion und auch der Senat werben deshalb darum, über die tatsächliche Ausgangslage in dieser Diskussion aufzuklären und lehnen die Initiative des NABU entschieden ab.
Lars Pochnicht (Berner Bote, Januar 2018)