Im April Oktober 1972 berichtet der Berner Bote u.a. über die Rentengesetze.
Zitate aus dem Berner Boten vom Oktober 1972
Öffentliche Versammlung (Seite 1)
Donnerstag, den 26. Oktober 1972, 20 Uhr
„Willy Brandt muss Kanzler bleiben!“
Es spricht: Bundestagsabgeordneter
Alfons Pawelczyk
Volkshaus Berne, Saselheider Weg 6,
kleiner Saal.
Alle Einwohner sind herzlich willkommen.
SPD-Distrikt Berne
Die Interessen der Rentner gehen vor (Seiten 1 und 2)
Von Walter Arendt, SPD – MdB und Bun-desminister für Arbeit und Sozialordnung.
Ich halte es für unbedingt geboten, dass dieser Bundestag vor seiner Auflösung die zweite Rentenreform verabschiedet. Die Vorlagen sind sorgfältig vorbereitet, sie sind lange diskutiert worden und sie sind vor geraumer Zeit dem Parlament zugegangen. Niemand, weder die Rentner noch die Versicherten, würden es verstehen, wenn gerade die Rentenreform und die nächste Rentenanpassung im Grabenkrieg um die bessere Ausgangslage für die Bundestagswahl stecken blieben. Ich bin deshalb für eine Lösung, die verhindert, dass die Rentengesetzentwürfe auf der Strecke bleiben.
Das Rentenprogramm, das noch in dieser Legislaturperiode im Interesse der Rentner und Versicherten, der Selbständigen und Arbeitnehmer bewältigt werden sollte, muss nach meiner Auffassung fünf Komplexe regeln:
1. Die Einführung der flexiblen Altersgrenze;
2. Die Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige und Frauen;
3. Renten nach Mindesteinkommen für langjährig Versicherte;
4. Ein zusätzliches Versicherungsjahr für Frauen, die Kinder geboren haben; und
5. Leistungsverbesserungen für alle Rentner.
Mit Nachdruck stelle ich fest, dass die notwendige Strukturreform in der Rentenversicherung nicht über einen Streit auf dem Gebiet der Leistungsverbesserung scheitern darf.
Zunächst möchte ich aber ins Gedächtnis rufen, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien in zwei Gesetzesinitiativen die finanzielle Situation der Rentner verbessert haben: Durch die Beseitigung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrages 1970 und durch dessen Rückzahlung im April 1972.
Nachdem sich die Finanzlage der Rentenversicherung als günstiger erwiesen hat, als vorsichtige Schätzungen das zu prophezeien wagten, können wir einer weiteren, damit dritten Leistungsverbesserung für die Rentner nähertreten.
Zur Zeit werden zwei Vorschläge diskutiert: Ein Grundbeitrag von 20,- DM für alle Rentner und eine um ein halbes Jahr vorgezogene Anpassung. Wenn die Rente die Fortsetzung des Arbeitseinkommens sein soll, dann ist es nicht so abwegig, wie in den Tarifverhandlungen von Zeit zu Zeit eine pauschale Erhöhung vorzunehmen, damit sich die Schere zwischen den hohen und niedrigen Renten nicht zu weit öffnet.
Allerdings sind dazu noch eine Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, die in der Kürze der Zeit nicht mehr verwirklicht werden können. Deshalb darf an diesem Prinzipienstreit die Sache nicht scheitern. Hier sollte im Interesse des Ganzen die besseren Argumente zurückgestellt und eine vorgezogene Anpassung beschlossen werden.
Aktualisierte Berechnungen haben ergeben, dass es möglich ist, sowohl das Rentenreformprogramm der Bundesregierung wie auch die Anpassung zum 1. Juli 1972 zu verwirklichen. Allerdings muss ich darauf aufmerksam machen, dass dann im Gegensatz zu der Konzeption der Bundesregierung, die einen gewissen finanziellen Spielraum nicht in Anspruch nehmen wollte, nach unserem jetzigen Erkenntnisstand die Reserven der Rentenversicherung bis an den Rand des gesetzlich Zulässigen ausgeschöpft sind. Als jemand, der für die Solidität der Rentenversicherung Verantwortung trägt, sage ich, dass zwar die Lage nicht Anlass zur Sorge gibt, dass aber auch kein Raum für weitere zusätzliche Belastungen mehr besteht.
Anmerkung der Redaktion:
Nach dem gescheiterten konstruktiven Misstrauensvotum gegen Willy Brandt von der CDU/CSU mit Rainer Barzel am 27. April 1972 und der von Willy Brandt gestellten Vertrauensfrage am 22. September 1972, die die gewollte Niederlage brachte, löste der Bundespräsident Gustav Heinemann den Bundestag auf. Für die daraufhin notwendigen Neuwahlen wurde der 19. November 1972 festgesetzt.
Zum Zeitpunkt der redaktionellen Herstellung des Oktober Berner Boten im September 1972 stand der Termin der Neuwahlen noch nicht fest, so dass alle Artikelschreiber hofften, dass ihre Anliegen noch vor dem Tag der Neuwahlen im Bundestag positiv entschieden würden.
Schlechter politischer Stil (Seite 8)
Oswald Paulig antwortet der „Welt“
Dass die Hamburger „Welt“ gemäß ihrer giftigen Einstellung zur Bundesregierung Kapital aus Schillers Rücktritt schlagen will, ist verständlich.
Dass sie deswegen Umfragen mit einseitigen Suggestivfragen startet, ist schon schlechter journalistischer Stil.
Dass sie dann aber außerdem eine ihr nicht passende Antwort unterschlägt, ist schon miserabel.
Dass sie aber zu guter Letzt behauptet, dieser Antwortschreiber habe sich überhaupt vor einer Antwort gedrückt, ist schon schlicht eine rufschädigende Falschmeldung.
Genau dieses ist Oswald Paulig passiert. Er hat nämlich auf die Anfrage der „Welt“ geantwortet. Und dies sind seine Zeilen:
Betr.: Ihre Umfrage Schmidt/Schiller
Ihrer Fragen sind Suggestivfragen. Sie setzen Fakten und Prämissen als allgemein anerkannt und akzeptiert voraus, die ich nicht teile und die von der SPD nicht geteilt werden können. Eine ausführlich begründende Stellungnahme scheint mir in der von Ihnen gewählten Berichterstattung nicht gewährleistet zu sein.
Ihrem Interesse – dieses muss man wohl aus der Art Ihrer Fragestellungen schließen – durch eine quasi-Dokumentation der SPD zu schaden, kann ich nicht nachkommen. Oswald Paulig
Vorsitzender der SPD-
Landesorganisation Hamburg
Politik Aktuell (Seiten 11 und 12)
Dr. Hans Apel:
Grundgesetz ist unverzichtbare Leitlinie
Das Grundgesetz und seine demokratischen Spielregeln seien für die SPD unverzichtbare Regeln und Leitlinien ihrer Politik, sagte der stellv. SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Hans Apel in einem Interview mit dem „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt“. „Soziale Demokratie“ und „demokratischer Sozialismus“ seien für ihn die Umschreibung des gleichen politischen Anliegens. Die SPD habe sich in ihrer über hundertjährigen Geschichte stets im Rahmen der jeweiligen Verfassung bewegt, sie mit Inhalt gefüllt und die Grundwerte des Staates und der Gesellschaft weiter entwickelt. Das sei auch heute die Rolle der Partei. Im Wahlkampf werde die CDU/CSU versuchen, so mutmasste Apel, hinter dem Sozialismus-
Gespenst und einer Nebelwand massiver Verdächtigungen ihre eigene Konzeptionslosigkeit und reaktionäre Grundhaltung zu verbergen. Die SPD werde da- gegen offensiv darstellen, was demokratischer Sozialismus ist und was sie damit bisher für die Bundesrepublik erreicht habe. Die Wahlplattform werde dem Wähler konkret sagen, was die SPD in den nächsten vier Jahren auf dem Weg zur sozialen Demokratie ansprechen und durchsetzen wolle.
Anmerkung der Redaktion:
Dr. Hans Apel (1932-2011)
1955 Eintritt in die SPD
1965-1990 Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Hamburg-Nord
1969-1972 und 1983-1988 Stellvertr. Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
1972-1974 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesaußenminister
1974-1978 Bundesfinanzminister
1978-1982 Bundesverteidigungsminister
Frauen und Umweltschutz (Seite 17)
Mehrere weibliche Delegierte der SPD aus Hamburg-Berne nahmen Anfang September 1972 an einem Wochenendseminar der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holstein e.V. in Malente teil, wo sie das Thema: „Soziale, wirtschaftliche und politische Probleme des Umweltschutzes“ mit Vertretern der Länder Bremen, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen diskutierten.
Obwohl in der bestehenden Legislaturperiode wichtige Gesetze verabschiedet bzw. konzipiert wurden, wie z.B. – Gesetz zur Verminderung von Luftverunreinigungen durch Ottokraftstoffe für Kraftfahrzeugmotore (Benzin-Bleigesetz), – Annahme eines Abfallbeseitigungsgesetzes, – Verbesserungen der gesetzlichen Bestimmungen zur Reinhaltung des Wassers und – Vorlage eines Gesetzes zum Schutz vor Umweltgefahren durch Luftverunreinigungen, bestehen noch viele Aufgaben bis zur Lösung der Probleme. Sowohl die Wirtschaft, aber auch Parteien, Gewerkschaften und Bürger müssen mit mehr Aktivität versuchen, Herr der zunehmenden Schwierigkeiten zu werden. Eine sachbezogene Bestandsaufnahme ist nötig, damit die Bevölkerung sich ein Bild über die tatsächliche Situation machen kann. Weder Verniedlichung, noch Panikmache helfen hier weiter.
Betriebsärzte könnten eine dankenswerte Arbeit leisten, wenn sie in den Betrieben ihr Augenmerk auf mehr umweltfreundliche Produktionsmethoden richten. Sie könnten die Industrie veranlassen, in großen Betrieben „Umweltschutz-Abteilungen“ einzurichten. Gar zu oft werden aus wirtschaftlichem Erfolgsdenken humanere Maßnahmen übersehen.
Die Aufklärung der Hausfrauen zu verstärken, weniger Verpackungsmaterial anzufordern, nicht Plastiktüten, sondern Tragetaschen zu verwenden, Seifenpulver in geringerer Menge in die Waschmaschine zu füllen, Zigarettenkippen nicht in den Abfluss zu schütten, war das Hauptanliegen, für das sich die Hamburgerin Karin Labe mit engagierten Worten einsetzte.
Alles in allem, es war ein Anfang, an dieser großen Forderung „mehr Umweltschutz“ mitzuwirken. Ein wenig Aktivität ist mehr, als viel zu reden.
Grete Hauto
Mitglied im Distrikts-Vorstand der SPD Berne
Ende der Zitate aus dem Berner Boten vom Oktober 1972
Heiner Widderich