Im Dezember 1971 berichtet der Berner Bote u.a. über den Friedensnobelpreis für Willy Brandt, die Verabschiedung des Bebauungsplans Farmsen-Berne 7 und die Umwandlung der Konditorei Palm in einen Kindergarten.
Zitate aus dem Berner Boten vom Dezember 1971Frieden (Aufmacher Seite 1)
Welcher Begriff umschließt besser die Sehnsüchte und Wünsche der Menschen zum bevorstehenden Weihnachtsfest als das Wort FRIEDEN? Dieses Wort wird viel gebraucht und häufiger noch mißbraucht. Die ganze Welt hat daher mit Zustimmung, Freude und Genugtuung die Verleihung des Friedensnobelpreises an den deutschen Bundeskanzler Willy Brandt vernommen. Erstmalig wurde einem deutschen Regierungschef diese hohe Auszeichnung zuteil. Das deutsche Volk ist stolz darauf, dass einem seiner Staatsbürger 26 Jahre nach den Schrecken des 2. Weltkrieges dieser Preis verliehen worden ist. Es ehrt den Menschen Willy Brandt, dass er diesen Preis nicht allein auf sich bezogen wissen will, sondern alle die mit einschließt, die ihm bisher halfen und ihm auch in Zukunft darin unterstützen werden, den Frieden auf dieser Welt sicherer zu machen. Nach der Unterzeichnung der Verträge mit Moskau und Warschau sowie nach dem Berlin-Abkommen der vier Großmächte mit den ergänzenden deutsch-deutschen Verhandlungen eröffnet sich erstmals nach dem letzten Weltkrieg die Chance, den Krisenherd Berlin auszuschalten und damit eine dauerhafte Friedenssicherung in Mitteleuropa zu erreichen. Die Voraussetzungen hierfür geschaffen zu haben, kann sich Willy Brandt zu Recht rühmen. Am 10. Dezember 1971 wird Willy Brandt den Friedensnobelpreis in Oslo entgegennehmen in Verbundenheit mit allen denen, die sich mit der ihnen gegebenen Kraft bemühten die Welt von Kriegen zu befreien und ein Europa des Friedens zu organisieren. Hieran mitzuwirken, sind wir alle aufgerufen. Die Außenpolitik dieser Bundesregierung gibt uns die Chance dazu.
Ich hoffe, dass diese Politik noch in diesem Jahr zu weiteren sichtbaren Erfolgen führt und wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen Gesundheit und viel Freude zum kommenden Weihnachtsfest und für das Jahr 1972.
Ihr Heiner Widderich, MdBü
Anmerkung der Redaktion:
Willy Brandt (1913-1992)
Seit 1930 Mitglied der SPD
1964-1987 SPD -Parteivorsitzender
1957-1966 Regierender Bürgermeister von Berlin
1966-1969 Bundesaußenminister u. Vize-Kanzler im Kabinett Kiesinger
1969-1974 Bundeskanzler
1970 Unterzeichnung der Ostverträge mit Moskau und Warschau
1971 erhielt Willy Brandt für seine neue Ostpolitik den Friedensnobelpreis
Ostverträge
Der Moskauer-Vertrag wurde am 12. August 1970 und der Warschauer-Vertrag am 7. Dezember 1970 unterzeichnet.
Beide Verträge wurden vom Deutschen Bundestag am 17. Mai 1972 ratifiziert.
Friedensnobelpreis an Willy Brandt: Die Laudatio des Nobel-Komitees in Oslo (Seite 2)
„Während der gesamten Nachkriegsperiode stellte die politisch ungelöste deutsche Frage eine latente Gefahr für den Frieden dar. Während dieser Jahre sind viele Bemühungen unternommen worden, innerhalb dieses gefährlichen Gebietes politischer Spannung eine Entspannung durchzusetzen.
Das Nobel-Komitee des norwegischen Parlaments hat heute den Friedenspreis an Bundeskanzler Willy Brandt verliehen. Durch diese Wahl hat der Ausschuss versucht, die Absichten des Testaments von Alfred Nobel zu verwirklichen. Als Führer der Bundesrepublik Deutschland und im Namen des deutschen Volkes hat Willy Brandt seine Hand zur Versöhnung zwischen Völkern ausgestreckt, die lange Zeit Feinde waren.
Im Geiste des guten Willens hat er außerordentliche Ergebnisse bei der Schaffung von Voraussetzungen für den Frieden in Europa erzielt. Politische und militärische Entspannung zwischen Ost- und Westeuropa sind eine Voraussetzung für eine friedliche Entwicklung.
Das Komitee misst der Tatsache Bedeutung bei, dass Willy Brandt sowohl als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland seit 1966, als auch als Bundeskanzler seit 1969 konkrete Initiativen für eine solche Entspannung ergriffen hat. Das Komitee verweist auf die Unterzeichnung des Vertrages über die Nichtweitergabe von Atomwaffen und der Gewaltverzichtsabkommen mit Polen und der Sowjetunion. Darüber hinaus erinnert das Komitee an seine Bemühungen, für die Bevölkerung von West-Berlin die Grundrechte der persönlichen Sicherheit und Bewegungsfreiheit zu gewährleisten.
Willy Brandt sieht die Stärkung der Zusammenarbeit in Westeuropa als integrierenden Teil eines Friedensplanes für ganz Europa. Im Hinblick auf die Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Einheit Westeuropas hat der Bundeskanzler ebenfalls bedeutsame Initiativen ergriffen.
Das Nobel-Komitee betrachtet dieses gesamte Werk als einen fundamentalen Beitrag zur Stärkung der Möglichkeiten einer friedlichen Entwicklung nicht nur in Europa, sondern in der Welt als Ganzes.“
Bebauungsplan Farmsen-Berne 7 verabschiedet (Seiten 17 und 18)
Die Hamburger Bürgerschaft nahm am 3. November 1971 mit den Stimmen aller Fraktionen den Bebauungsplan Farmsen-Berne 7 in der ursprünglichen Fassung vom März 1970 an. Danach findet eine Wohnbelegung der in der Skizze neben dem Rückhaltebecken ausgewiesenen Freifläche nicht statt. Die Bürgerschaft hatte sich mit diesem Bebauungsplan befassen müssen, weil am 21. Januar 1971 die CDU-Abgeordneten in der Bezirksversammlung Wandsbek gegen den Plan gestimmt hatten.Der Bauausschuss der Hamburger Bürgerschaft hat sich dann nach der nochmaligen Zustimmung durch die Deputation der Baubehörde in zwei Sitzungen und bei einer Ortsbesichtigung eingehend mit dem Bebauungsplan befasst. In seinem Bericht an die Bürgerschaft führt der Bauausschuss u.a. aus:
Das Gebiet zwischen dem Berner Heerweg und der Busbrookhöhe ist als Wohngebiet und die übrigen Flächen sind als Grünflächen und Außengebiete ausgewiesen. Der Bebauungsplan wurde aufgestellt, um die städtebauliche Ordnung der vorhandenen Bebauung und Flächen für Grünanlagen und Straßen zu sichern. Der Bauausschuss hat insbesondere die Frage aufgeworfen, ob die Grünflächen als Bebauungsgebiet vorgesehen werden können. Die Senatsvertreter bemerkten hierzu, dass der begleitende Grünzug der Berner Au – die als größeres Gewässer im Hamburger Raum gilt – eine grüne Lunge für die angrenzenden Wohngebiete bilden soll. Dieses um so mehr, als sich die Wohngebiete noch verdichten werden. Hinzu kommt, dass kurzfristig keine Möglichkeiten der zusätzlichen schulischen Versorgung für dieses Gebiet bestehen.
Am Schluss seines Berichtes empfiehlt der Bauausschuss der Bürgerschaft einstimmig, das Gesetz über den Bebauungsplan Farmsen-Berne 7 zu beschließen.
So ist dieser Bebauungsplan nach über 1 1/2-jähriger Verzögerung doch noch in seiner ursprünglichen Fassung (ohne Bebauung am Rückhaltebecken der Berner Au) Gesetz geworden. Dass dieser Teil des Grünzuges an der Berner Au der Bevölkerung von Berne und Umgebung als Naherholungsgebiet erhalten geblieben ist, ist dem unermüdlichen Einsatz des SPD-Distriktes Berne zu verdanken, der durch den Berner Boten, eine öffentliche Versammlung und durch die Abgeordneten Günther Meier und Heiner Widderich in der Bezirksversammlung Wandsbek und in der Hamburger Bürgerschaft immer wieder auf die Notwendigkeit der Erhaltung dieser grünen Lunge hingewiesen hat.
Anmerkung der Redaktion:
Ja, das war vor 50 Jahren. Die genannte Grünfläche (Erdbeerfeld und Kleingärten) sind verschwunden und eine Bebauung in 2 Bauabschnitten Heuortsland 1 (1999) mit 187 Wohnungen und 1 Kita sowie Heuortsland 2 (2019) mit 113 Wohnungen und 1 Kita sind gekommen, die der Woh- nungsnot in Hamburg geschuldet sind. Ein Senatsprogramm von zur Zeit 10.000 Wohnungen je Jahr – davon viele sozialgefördert – ist bemerkenswert und erforderlich, um die Mieten für Normalverdiener nicht ins Unbezahlbare gleiten zu lassen.
Aber trotz der Bebauung am Heuortsland ist die grüne Lunge mit Rückhaltebecken, Rodelberg, Berner Park und Grünzug an der Berner Au für die Naherholung geblieben.
Konditorei Palm wird Kinderhaus (Seite 19 – Auszug –)
In der ehemaligen Konditorei Palm, Meiendorfer Stieg 1, werden ab Ende November 1971 die ersten Kinder des neugegründeten Vereins „Kinderhaus Berne e.V.“ betreut. Dennoch müssen die 36 Mitglieder, die bisher dem Verein angehören, noch ein hartes Stück Arbeit vollbringen, bis das ganze Haus renoviert und den Vorstellungen der Mitglieder entsprechend eingerichtet ist. In drei Arbeitsgruppen werden von den Mitgliedern die pädagogischen, organisatorischen und räumlichen Voraussetzungen für die geplanten drei Gruppen mit insgesamt etwa 30 Kindern im Alter von 2 1/2 bis 6 Jahren geschaffen.
Wer sind die Initiatoren des „Kinderhaus Berne e.V.? Es sind Bürger aus unserer näheren Umgebung, die sich zusammengeschlossen haben, um die Erziehung ihrer Kinder unter Berücksichtigung soziologischer, pädagogischer und psychologischer Erkenntnisse im Rahmen eines Kindergarten-Projektes zu fördern. Die Idee zu diesem Projekt hatte der 30jährige Ingenieur Jürgen Wolf Bortchen aus der Hermann-Balk-Straße 118. Schnell fand er durch eine Anzeige im Berner Boten und durch intensive Mundpropaganda gleichgesinnte Elternpaare. Durch einen Zufall hörte er von den leeren Räumen der Konditorei Palm. Er sprach bei der Eigentümerin, der Gartenstadt Hamburg vor, um die freigewordenen Räume evtl. für sein Projekt anzumieten. Der Vorstand der Gartenstadt Hamburg war sofort bereit, sein Mietobjekt dem Verein zu überlassen.
Nähere Auskünfte – wie Aufnahmebedingungen, Mitgliedsbeiträge usw. – sind bei Herrn Bortchen unter der Rufnummer 644 52 18 oder direkt im Kinderhaus, Meiendorfer Stieg 1, zu erhalten. H.W.
Ende der Zitate aus dem Berner Boten vom Dezember 1971
Heiner Widderich
Beitragsbild: Die ehemalige Konditorei Palm, das Kinderhaus Berne im Jahr 1971