Zitate aus dem Berner Boten vom April 1969
Gustav Heinemann gewählt (Auszug Seiten 1-3)
Nach Friedrich Ebert übernimmt zum zweiten Mal ein Sozialdemokrat das höchste Staatsamt in Deutschland.
Da liegt noch das Blatt im Terminkalender der Geschichte offen, auf dem vermerkt ist, dass gerade vor 50 Jahren die erste deutsche Republik mit Friedrich Ebert ihren ersten Reichspräsidenten erhielt. Nun wird zum zweiten Mal ein deutscher Sozialdemokrat das höchste Amt seines Landes übernehmen, in jenem Teil Deutschlands, der sich nach den nationalsozialistischen Katastrophenjahren erneut eine Staatsordnung auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage gegeben hat.
Gustav Heinemann wird dritter Bundespräsident zu einem Zeitpunkt, in dem die deutsche Demokratie wieder einmal vor einer Bewährungsprobe steht. Sie muss sich bewähren unter dem Druck von äußeren Kräften, die sie verdächtigen, kein ausreichender Garant der Friedenssicherung zu sein, und gegen ihre inneren Feinde, die sich entschlossener den je zum Angriff formieren.
Die Väter des Grundgesetzes haben nach der leidvollen Erfahrung mit dem Ebert Nachfolger Hindenburg das höchste Staatsamt der Bundesrepublik nicht mehr mit der Möglichkeit des direkten Einflusses auf die Regierungspolitik ausgestattet. Nicht genommen haben sie ihm seine Funktion als der eines Leitbildes nach innen und der Repräsentanz nach außen. An der Qualität Heinemanns als Repräsentanten des demokratischen Deutschlands gibt es nirgendwo Zweifel. Und welch ein Glücksfall es ist, in Zeiten, in denen sich neue Ideologieschleier übers Land legen, diesen Mann, der im gleichen Maße Liberalität wie charakterliche Festigkeit verkörpert, an der Spitze unseres Staates zu haben, das wird in seiner ganzen Bedeutung vermutlich erst von Späteren erkannt werden.
Gustav Heinemann hat einmal deutlich gemacht, dass er seine Entwicklung aus dem Geist von 1848 und seiner christlichen Grundhaltung, die ihn in Gegnerschaft zum Nationalsozialismus brachte, heraus versteht. Er hat nie verhehlt, dass die Stationen auf seinem politischen Weg verschieden firmiert waren.
In dem derzeit von ihm verwalteten Justizministerium hat Heinemann den erfolgreichen Versuch unternommen, den Menschen aus seiner Rolle als Objekt überholter Normen der Rechtsordnung zu befreien. Eine Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit zu besitzen, die keine vertrocknete Formel ist, scheint keine schlechte Voraussetzung für den Umzug in die Villa Hammerschmidt zu sein.
Anmerkung der Redaktion:
Dr. Gustav Heinemann (1899-1976)
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er zunächst die CDU und später die pazifistische Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) mit und schloss sich 1957 der SPD an. Von 1946-1949 war er Oberbürgermeister von Essen und von 1949-1950 Bundesminister des Inneren. Wegen der von Bundeskanzler Adenauer eingeleiteten Wiederbewaffnung der Bundesrepublik trat er 1950 zurück und engagierte sich in der Friedensbewegung. Als SPD-Politiker wurde er 1966 wieder Minister, und zwar im Kabinett Kiesinger (Große Koalition von CDU/CSU und SPD) als Bundesminister der Justiz. Im März 1969 wurde er zum Bundespräsidenten gewählt.
Friedrich Ebert (1871-1925) war seit 1913 Vorsitzender der SPD und von 1919-1925 erster Reichspräsident der Weimarer Republik.
24 Prozent mehr (Auszug Seite 3)
Mit Beginn dieses Jahres sind die Renten wieder erhöht worden. Die Rentenanpassung beträgt diesmal 8,3%. Damit haben sich die Renten seit Dezember 1966, als die SPD in Bonn Regierungspartei wurde, um insgesamt 24% erhöht, trotz des Beitrages zur Rentner-Krankenversicherung.
Hartes Ringen um dynamische Rente
Im Schatten der von der CDU/CSU/FDP-Regierung unter Erhard und Mende hinterlassenen Wirtschafts- und Finanzkrise versuchten bestimmte Kräfte, die Rentenanpassung zu verschlechtern. Sie wollten damit die „dynamische Rentenanpassung“ aufgeben. Das hätte bedeutet, von dem Prinzip abzugehen, dass die Renten den jeweiligen Lohn- und Gehaltssteigerungen angepaßt werden. Dagegen hat sich die SPD mit Erfolg gewehrt. Die bruttolohnbezogene Rente blieb und bleibt erhalten.
Langfristige Sicherung
Außerdem setzte sich die SPD für eine solide langfristige Finanzierung der Renten ein. Selbstverständlich geschieht das unter Berücksichtigung des Altersaufbaus unserer Bevölkerung. Die guten Argumente der SPD setzten sich durch und der Bundestag wird das erforderliche Gesetz in Kürze beschließen. Das gibt denen Sicherheit, die heute schon Rentner sind und ebenso jenen, die im Arbeitsleben stehen und den Lebensabend noch vor sich haben.
Schulentlassungsfeier Schule Berne am 11. März 1969 (Auszug Seite 19)
Wieder einmal war es für eine Anzahl Berner Kinder soweit, dass sie sagen konnten „Gottseidank, die Penne haben wir hinter uns“, oder dachten sie doch schon „schade, die fröhliche Kindheit geht nun zu Ende“? Als sich am 11. März die Schulabgänger der 9. Volks- und der 10. Realschulklasse in der Turnhalle zur Entlassungsfeier einfanden, war ihnen nicht genau anzumerken, was sie empfanden. Es schien ihnen aber doch klar zu sein, dass ein bedeutender Wendepunkt in ihrem Leben erreicht ist.
Darauf war auch die Ansprache des Schulleiters, Herrn Wilken, abgestellt, der die Mädchen und Jungen darauf hinwies, dass sie sich jetzt bemühen müssen, in ihre künftige Aufgabe hineinzuwachsen, Bürger unseres demokratischen Rechtsstaates zu werden.
Eingeleitet worden war die kleine Feier mit einem sehr gekonnten Liedvortrag des Realschulchores unter der Leitung von Herrn Steinfeld.
Herr Riemann als Vorsitzender des Elternrates verabschiedete die Schulabgänger im Namen der Elternschaft. Er musste leider einen Wermutstropfen in den festlichen Rahmen tun, als er mitteilte, dass auch in diesem Jahr noch keine Mittel für den Umbau und die Renovierung der Turnhalle zur Verfügung stehen.
Als Abschluss hatte die 9. Realschulklasse (Lehrer Herr Sasse) ein heiteres Stück einstudiert, welches sie mit Geschick und Freude am Spiel vortrug.
Als die Schulabgänger am Schluss der Feier mit ihren Lehrern, Herrn Reher (9. Klasse) und Frl. Koch (10. Klasse) den Festsaal verließen, konnte man glauben, dass sich die jungen Vertreter der 3. Generation der Berner Siedlung im Leben zurechtfinden werden.
Anmerkung der Redaktion:
Die Berner Siedlung wurde von der Wohnungsbaugenossenschaft „Gartenstadt Hamburg e.G.m.b.H.“ in den Jahren 1919 bis 1929 errichtet.
Die Berner Schule wurde in den Jahren 1929/1930 nach den Entwürfen des Architekten Professor Fritz Schumacher gebaut. Am 23. Oktober 1930 fand die Einweihung der Schule statt. Das Gebäude steht heute unter Denkmalschutz, wird aber nicht mehr als Schule genutzt, da die Schulbehörde im Jahre 2016 trotz heftiger Proteste der Berner Bevölkerung die Schule wegen der wenigen Anmeldungen und zu hoher Instandsetzungskosten aufgegeben hat.
Ende der Zitate aus dem Berner Boten vom April 1969
Heiner Widderich
Foto: Gustav Heinemann und Ehefrau Hilda, 1974
Bundesarchiv B_145, Bild-F043317-0068, Bahnhof_Köln, Abschied Bundespräsident Heinemann (CC BY-SA 3.0 de)